Leitsatz

Die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kfz-Steuer ist auch dann Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn sich das Kfz nicht mehr im Besitz des Schuldners befindet, die Steuerpflicht aber noch andauert (Bestätigung des BFH-Urteils vom 18.12.1953, II 190/52 U, BStBl III 1954, 49).

 

Normenkette

§ 5 Abs. 5 KraftStG, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO

 

Sachverhalt

Die Zulassungsstelle ließ im Jahr 2000 auf den Namen einer GmbH ein Fahrzeug zu, das – jedenfalls bis zum Jahr 2005 – weder abgemeldet noch auf einen anderen Halter umgeschrieben war. Über ihr Vermögen wurde 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Wegen Änderung der Steuersätze erließ das FA im Mai 2005 nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG einen Steuerbescheid, den es an den Kläger richtete. Mit seinem Einspruch machte dieser geltend, er sei nicht Steuerschuldner, da sich das Fahrzeug nach Verkauf im Jahr 2001 nicht in seinem Besitz befinde und nicht durch die Insolvenzmasse genutzt werde.

Einspruch und Klage (EFG 2006, 1367) blieben in diesem Punkt erfolglos. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Entscheidung des FG bestätigt. Das FA habe den Kläger für die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Kfz-Steuer durch den angefochtenen Steuerbescheid unabhängig davon in Anspruch nehmen dürfen, ob die GmbH das Fahrzeug bereits vor der Eröffnung veräußert habe und/oder weiterhin dessen Halterin gewesen sei.

 

Hinweis

1. Die Kfz-Steuerpflicht entsteht auch für die Zeit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dauert nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG bei einem – wie im Streifall – inländischen Fahrzeug, solange das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist. Dabei ist eine GmbH, auf die das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist, Steuerschuldnerin (§ 7 Nr. 1 KraftStG), selbst wenn sie das Fahrzeug vor Insolvenzeröffnung verkauft hat. Gem. § 5 Abs. 5 KraftStG endet die Steuerpflicht für den Veräußerer nämlich erst in dem Zeitpunkt, in dem die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Veräußerungsanzeige bei der Zulassungsstelle eingeht, spätestens mit der Aushändigung des neuen Fahrzeugscheins an den Erwerber.

2. Der Insolvenzverwalter muss nach § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO die Steuer aus der Insolvenzmasse bezahlen, weil das Insolvenzverfahren nach § 35 InsO u.a. das gesamte Vermögen erfasst, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört. Zum Vermögen zählt auch die Rechtsposition als Halter des Fahrzeugs, sodass der Insolvenzverwalter die Steuer als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO schuldet. Nach den zur im Wesentlichen vergleichbaren Rechtslage nach der früheren Konkursordnung entwickelten Grundsätzen des BFH-Urteils in BStBl III 1954, 49 muss der Insolvenzverwalter auch solche Gegenstände verwalten, die zwar nicht rechtlich zur Insolvenzmasse gehören, sich aber in der Masse befinden, weil sie z.B. zur Verwendung im Geschäft des Schuldners bestimmt sind. Dasselbe gilt für ein Kfz, das zwar tatsächlich von einem anderen gehalten wird, aber aufgrund einer unwiderlegbaren Rechtsvermutung noch als vom Schuldner gehalten gilt. Eine derartige Haltervermutung enthält das Kfz-Steuergesetz. Es stellt die unwiderlegbare Vermutung auf, dass das Fahrzeug von demjenigen, für den es zugelassen ist, bis zum Eingang der Anzeige über den Übergang bei der Zulassungsstelle gehalten wird.

Steuergegenstand ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG u.a. das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. Das KraftStG orientiert sich in seinen Begriffsbestimmungen an den jeweils geltenden verkehrsrechtlichen Vorschriften (§ 2 Abs. 2 KraftStG) und macht die Dauer der (subjektiven) Steuerpflicht davon abhängig, wer Adressat der verkehrsrechtlichen Zulassung ist (vgl. § 1 des StVG). Infolgedessen sieht es als Halter – und das Fahrzeug auf eigene Rechnung Nutzenden – denjenigen an, auf den das Fahrzeug zugelassen ist (vgl. zum Halterbegriff BGH, Urteil vom 29.05.1954, VI ZR 111/53, BGHZ 13, 351).

Danach ist unerheblich, ob das Fahrzeug veräußert wurde, solange nicht eine verkehrsrechtlich vorgeschriebene Veräußerungsanzeige bei der Zulassungsstelle eingeht. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob der Veräußerer das Fahrzeug noch nutzt.

Das Gesetz stellt mithin eine Haltervermutung auf, die nicht durch den Vortrag widerlegt werden kann, ein anderer als der Zulassungsempfänger nutze das Fahrzeug oder sei dessen Eigentümer.

3. Dieses unwiderlegbar rechtsvermutete Halten des Fahrzeugs gilt nicht nur für die Anwendung des KraftStG, sondern auch bei der Auslegung der insolvenzrechtlichen Normen mit der Folge, dass das Fahrzeug zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO) gehört und die nach Insolvenzeröffnung entstehende Kfz-Steuer Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist.

In diesem Zusammenhang bewirkt der Vorrang des Insolvenzrechts gegenüber dem Steuerrecht nur, dass Steuerforderungen gegen den Insolvenzschuldner oder die Insolvenzmasse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens...

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