Maren Hartmann, Flavia Kruck
2.1 Auswahl und Priorisierung
Die Ermittlung relevanter Nachhaltigkeitskennzahlen kann nicht losgelöst von einem strukturierten Gesamtprozess erfolgen. Abhängig von der Strategie der Branche und des Geschäftsmodells eines Unternehmens muss zuerst eine Wesentlichkeitsanalyse, d. h. die Identifikation und Priorisierung wesentlicher Nachhaltigkeitsthemen unter Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette, durchgeführt werden. Je Thema werden anschließend strategische und operative Ziele definiert. Um deren Erreichungsgrad prüfen zu können, werden danach relevante Kennzahlen identifiziert, bewertet und priorisiert. Freiwillige Standards und Leitfaden wie bspw. die GRI Standards oder der UN Global Compact, können Anregungen für die Identifikation relevanter Nachhaltigkeitskenngrößen liefern. Diese für externe Zwecke vorgegebenen Kennzahlen können für die Steuerung jedoch nur bedingt übernommen werden und müssen basierend auf den Zielen und der Spezifika des Unternehmens angepasst werden.
Die Priorisierung der Nachhaltigkeitskennzahlen erfolgt anhand der beiden Kriterien Relevanz und Datenverfügbarkeit. Neben der strategischen Relevanz muss sichergestellt werden, dass die Kennzahlen unterjährig beeinflussbar und somit steuerungsrelevant sind. Bei der Datenverfügbarkeit sind die Messbarkeit und der Erhebungsaufwand entscheidend. Die erforderlichen Daten liegen oftmals nicht oder nicht strukturiert in den bestehenden IT-Systemen vor. Der Aufwand für deren Erhebung muss leistbar sein und soll den erwarteten Informationsnutzen nicht übersteigen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass steuerungsrelevante Kennzahlen – anders als Kennzahlen zu Kommunikationszwecken – nicht nur jährlich erfasst werden. Zudem müssen entscheidungsrelevante Informationen zeitnah zur Verfügung stehen. Falls die geeignete Kennzahl nur schwer erhoben werden kann, können Treiber definiert und erfasst werden, welche einen kausalen Zusammenhang mit der gewünschten Kennzahl aufweisen, um das Thema unterjährig zu steuern.
Abb. 1: Priorisierungskriterien im Rahmen der Kennzahlenauswahl
Durch die voranschreitende Digitalisierung stehen Unternehmen eine zunehmende Menge an vielfältigen Daten aus internen und externen Datenquellen zur Verfügung, die zu steuerungsrelevanten Informationen verarbeitet werden können. Dabei sollte jedoch die Gefahr einer Informationsflut nicht außer Acht gelassen werden und bei der Auswahl geeigneter Kennzahlen die Nutzerorientierung im Zentrum stehen.
2.2 Definition, Konsolidierung, Erhebungsrhythmus
Um ein einheitliches Verständnis ohne Interpretationsspielraum sicherzustellen, müssen die ausgewählten Kennzahlen eindeutig beschrieben werden. Die Kennzahl "Anteil nachhaltige Verpackungen" bspw. ist nicht ohne weitere Informationen auswertbar. Einerseits muss der Begriff "nachhaltig" klar definiert werden (z. B. Einsatz von Recyclingmaterial oder durch Labels zertifizierte Materialien) und andererseits eine Bezugsgröße festgelegt werden: so muss spezifiziert werden, ob sich der Anteil z. B. auf die Stückzahl oder das Gewicht der Verpackungen bezieht. Nur mit einer eindeutigen Definition lassen sich Vergleiche über die Zeit und über Steuerungsobjekte hinweg erstellen. Eng verknüpft mit der Eindeutigkeit ist die Zuverlässigkeit/Wiederholbarkeit: Kennzahlen müssen in einer Weise definiert werden, dass deren Berechnung mit gleichbleibenden Ergebnissen replizierbar ist.
Für die externe Berichterstattung werden Kennzahlen oftmals konsolidiert für das Gesamtunternehmen oder ein Land ausgewiesen. Für interne Steuerungszwecke ist eine solche Verdichtung nicht geeignet, da sich die Aussagekraft der Kennzahlen durch den Aufriss in unterschiedliche Dimensionen erhöht und nur so bei einer Soll-Ist-Abweichung geeignete Gegenmaßnahmen abgeleitet werden können. Um bspw. das Thema "Arbeitssicherheit" mittels der Kennzahl "Anzahl Arbeitsunfälle" steuern zu können, muss diese nicht nur für das Gesamtunternehmen, sondern auch pro Bereich oder Werk ausgewertet werden, um daraus relevante Erkenntnisse gewinnen zu können. Pro Kennzahl müssen somit die relevanten Auswertungsdimensionen (z. B. Organisation, Produkt, Kunde) inkl. Hierarchieebene (z. B. Bereich oder Kostenstelle für die Dimension Organisation) definiert werden. Des Weiteren ist die Erhebungsfrequenz festzulegen, d. h. ob die Kennzahl täglich, monatlich, quartalsweise oder jährlich erfasst werden soll.
2.3 Einordnung im Wirkungsmodell und Typisierung
Nachhaltigkeitskennzahlen können auf allen vier Stufen des Wirkungsmodells "Input-Output-Outcome-Impact" verortet werden:
- Input: Messung der eingesetzten finanziellen und personellen Ressourcen.
- Output: Messung der Leistungserbringung / des Resultats der eingesetzten Ressourcen und Aktivitäten.
- Outcome: Messung der Wirkung.
- Impact: Messung der sozialen und ökologischen Auswirkungen, d. h. des Beitrags zu übergeordneten gesellschaftlichen Zielen.
Für Unternehmen ist es häufig nicht möglich, den tatsächlichen Impact, d. h. den Beitrag zu übergeordneten gesellschaftlichen Zielen wie bspw. den UN Sustainable Development Goals, zu messen. Auch die Ermittlung der Wirku...