In dem BFH-Urt. v. 17.7.2024 – XI R 35/22 (XI R 14/20) ging es um Sachverhaltskonstellationen bei denen landwirtschaftliche Maschinen aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten insbesondere nach Polen versendet wurden. Der Kläger, selbst in Polen nicht umsatzsteuerlich registriert, kaufte diese als Großhändler bei den Herstellern ein, von wo aus ein direkter Warenversand nach Polen zu den Kunden erfolgte. Die Versendung erfolgte durch den Kläger oder den Hersteller zum Kunden, wobei alle drei Parteien jeweils unter Verwendung der Umsatzsteueridentifikationsnummer ihres Ansässigkeitsstaates auftraten. Allerdings erfolgte hier keine Erfassung als innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft; der Kläger erklärte vielmehr in seinen deutschen Umsatzsteuererklärungen innergemeinschaftliche Erwerbe und machte zudem korrespondierend einen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG geltend. Ausgangsseitig erklärte der Kläger innergemeinschaftliche Lieferungen nach Polen. Sowohl die Rechnungen als auch die Zusammenfassenden Meldungen des Klägers enthielten keinen Hinweis auf ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft. Erst aufgrund Beanstandung seitens der Finanzbehörden nahm der Kläger eine Rechnungskorrektur vor und übermittelte berichtigte Zusammenfassende Meldungen.
Im Rahmen einer Außenprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass ein innergemeinschaftliches Reihengeschäft vorlag, mit den Rechtsfolgen, dass der Kläger einen innergemeinschaftlichen Erwerb im Abnehmerstaat (zumeist Polen) und eine dortige lokale Lieferung erklären müsste. Zugleich hätte der Kläger dann einen Vorsteuerabzug aus den innergemeinschaftlichen Erwerben im Abnehmerstaat vornehmen können. Aufgrund der Tatsache, dass der Kläger unter seiner deutschen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auftrat, ergab sich aber zusätzlich in Deutschland ein fiktiver innergemeinschaftlicher Erwerb nach § 3d S. 2 Halbs. 1 UStG ohne Recht auf Vorsteuerabzug (Abschnitt 15.10 Abs. 2 S. 2 UStAE).
Aus Sicht des Prüfers stellten sich diese Rechtsfolgen ein, da der Kläger keinen wirksamen Gebrauch von der Vereinfachungsregel des § 25b UStG (innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft) machte, da der Hinweis auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft nicht auf der Rechnung an den Kunden enthalten war, § 25b Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 14a Abs. 7 UStG.
Der Kläger versuchte daraufhin mit berichtigten Rechnungen und korrigierten Zusammenfassenden Meldungen das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft nachträglich und mit ex tunc-Wirkung zu retten.
Die Anträge sowie den durch den Kläger eingelegten Einspruch lehnte das Finanzamt als unbegründet ab. Das FG Münster gab der Klage statt, da die nachträgliche Rechnungskorrektur Rückwirkung entfalte, so dass die innergemeinschaftlichen Erwerbe nach § 25b Abs. 3 UStG als besteuert zu gelten hätten.
Hiergegen trug das FA in der Revision vor, dass die Voraussetzungen des § 25b UStG im Streitfall nicht vorlägen. Die Rechnungsberichtigung könne keine Rückwirkung entfalten, da es sich hierbei, anders als bei der Rechnungskorrektur im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug, um keine formelle, sondern materielle Voraussetzungen handele.
Dem zweiten Verfahren, XI R 34/22 (XI R 38/19) lag (vereinfachend) folgender Sachverhalt zugrunde: die Klägerin, eine deutsche GmbH, deklarierte in ihrer Umsatzsteuererklärung und Zusammenfassenden Meldung Dreiecksgeschäfte, in deren Rahmen Waren von einem italienischen Unternehmer erworben und an einen slowakischen Unternehmer weiterveräußert wurden, wobei alle drei beteiligten Unternehmer unter der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ihres Ansässigkeitsstaates auftraten.
Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass für den Streitzeitraum die Voraussetzungen des § 25b UStG nicht erfüllt waren, da in der Rechnung der Klägerin die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des letzten Abnehmers nicht enthalten und zudem weder auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäfts noch auf den Übergang der Steuerschuld hingewiesen worden war. Demnach habe die Klägerin in der Slowakei einen innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 3d S. 1 UStG zu erklären und in Deutschland einen fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 3d S. 2 Halbs. 1 UStG. Die Klägerin versuchte im Rahmen einer Rechnungskorrektur die (formellen) Voraussetzungen der §§ 25b Abs. 2, 14a Abs. 7 UStG zu erfüllen und war der Ansicht, dass dieser Rechnungskorrektur Rückwirkung zukam.
Das FG gab der Klage statt, insoweit als die beschriebenen Lieferungen in die Slowakei betroffen waren und kam zu dem Ergebnis, dass der Rechnungsberichtigung seitens der Klägerin Rückwirkung zukomme. Hiergegen wandte sich die Revision.