Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung, die auf Zeiträume nach der Veräußerung der Beteiligung entfallen, können ab dem Veranlagungszeitraum 2009 gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden. § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG 2009 steht dem nicht entgegen.
2. Eine Option zur Regelbesteuerung gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ist nicht eröffnet, wenn keine Kapitalerträge aus der Beteiligung mehr fließen und ein Auflösungsverlust i.S.d. § 17 Abs. 2 und 4 EStG auf Antrag des Steuerpflichtigen nicht erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation festgestellt wird, sondern bereits zu einem zeitlich davor liegenden Zeitpunkt.
Normenkette
§ 20 Abs. 9, §§ 32d, 52a, 17 EStG 2009
Sachverhalt
Der Kläger war seit 2002 am Stammkapital einer GmbH mit einer Stammeinlage von 37,5 % beteiligt. Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet worden war, wurde am darauffolgenden Tag im Handelsregister die Auflösung der GmbH eingetragen. Die GmbH ist im Handelsregister nicht gelöscht. Im Rahmen der Insolvenz wurde der Kläger aus einer für die GmbH geleisteten Bürgschaft in Anspruch genommen, deren Kosten das FA im Rahmen des im Veranlagungszeitraum 2007 ermittelten Verlustes gemäß § 17 EStG erklärungsgemäß berücksichtigte. Die Zahlung auf die Bürgschaft finanzierte der Kläger durch ein Darlehen, für das er in den Jahren 2009 und 2010 Zinsen i.H.v. 9.375 EUR und 9.372 EUR entrichtete.
Unter Hinweis auf § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG machte der Kläger die Schuldzinsen erfolglos als nachträgliche Werbungskosten wegen seiner Beteiligung an der GmbH i.H.v. 60 % (Teileinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 EStG i.V.m. § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG) geltend.
Der dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das FG statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 4.10.2012, 12 K 993/12 E, Haufe-Index 3589196, EFG 2013, 122).
Entscheidung
Auf die Revision des FA hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Der Kläger könne gemäß § 20 Abs. 9 EStG die ihm in den Streitjahren 2009 und 2010 tatsächlich erwachsenen Schuldzinsen nicht mehr als Werbungskosten im Rahmen des § 20 EStG geltend machen. Die Voraussetzungen der Optionsmöglichkeit nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG lägen nicht vor, da aus der Beteiligung des Klägers keinerlei Erträge mehr erzielt worden seien.
Hinweis
Dieses Urteil behandelt Grundsatzfragen zum Abzug nachträglicher Werbungskosten, die ihren Entstehungsgrund in der Zeit vor 2009 haben, nach dem Systemwechsel zur Abgeltungsteuer.
1. Ein Anwendungsfall solcher nachträglicher Werbungskosten betrifft Schuldzinsen im Zusammenhang mit der Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Kapitalanlage. Darunter fallen auch Beteiligungen i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG. Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung, die auf Zeiträume nach der Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, können danach wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG geltend gemacht werden. Das gilt entsprechend für Finanzierungskosten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme eines Gesellschafters aus einer eigenkapitalersetzenden Gesellschafterbürgschaft.
2. Dieser Abzug nachträglicher Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ist indes ab 2009 nicht mehr zulässig. Denn mit der Einführung einer Abgeltungsteuer für private Kapitalerträge hat der Gesetzgeber ein umfassendes Abzugsverbot für Werbungskosten angeordnet: Nach § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG können Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ab dem Veranlagungszeitraum 2009 grundsätzlich nicht mehr abgezogen werden. Abziehbar ist lediglich ein Sparer-Pauschbetrag i.H.v. 801 EUR, der bei Ehegatten, die zusammen veranlagt werden, auf 1.602 EUR verdoppelt wird.
Dass der BFH an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung keine Zweifel hat und dass die missverständliche Anwendungsvorschrift des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG dem Werbungskostenabzugsverbot nicht entgegensteht, hatte der VIII. Senat bereits mit Urteil vom 1.7.2014, VIII R 53/12 (BFHE 246, 332, BStBl II 2014, 975) entschieden.
3. Hier ging es nun insbesondere um die Frage, ob die Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG im Streitfall das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG ausschließt.
a) Danach gilt der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen von lediglich 25 % auf Antrag für Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStGaus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht, wenn der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag erstmals gestellt wird, unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt oder zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig ist. Gemäß Satz 2 der Vorschrift finden § 20 Abs. 6 und A...