Leitsatz
Die nach § 1 Abs. 3 S. 4 EStG zum Nachweis der Höhe der nicht der deutschen Steuer unterliegenden Einkünfte erforderliche Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde ist auch dann vorzulegen, wenn der Steuerpflichtige angibt, keine derartigen Einkünfte erzielt zu haben (sog. Nullbescheinigung).
Normenkette
§ 1 Abs. 3 S. 4, § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Die Kläger sind Eheleute mit Wohnsitz in Frankreich. Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und hatte im Streitjahr 2002 einen weiteren Wohnsitz in Deutschland. Er erzielte Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit im Inland sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Klägerin erzielte keine Einkünfte.
Das FA setzte die ESt gegenüber dem Kläger auf der Grundlage seines zu versteuernden Einkommens nach der Grundtabelle fest. Die beantragte Zusammenveranlagung lehnte es wegen fehlender Vorlage einer Bescheinigung der zuständigen französischen Steuerbehörde über die Höhe der von den Klägern erzielten, nicht der deutschen ESt unterliegenden Einkünfte voraus.
Die vom Kläger erhobene Klage hatte Erfolg (Hessisches FG, Urteil vom 24.08.2009, 13 K 2032/08).
Entscheidung
Der Ansicht des FG widersprach der BFH: Ohne die sog. Nullbescheinigung der ausländischen Steuerbehörde sei die Zusammenveranlagung zu versagen.
Hinweis
1. Nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG können nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten auf Antrag gem. § 26 Abs. 1 S. 1 (i.V.m. § 26b) EStG zusammenveranlagt werden, wenn nur einer von ihnen die Voraussetzungen der unbeschränkten ESt-Pflicht nach § 1 Abs. 1 oder Abs. 3 EStG erfüllt.
2. Voraussetzung ist zum einen, dass der unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatte Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der EU oder des EWR ist und der andere Ehegatte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im EU/EWR-Ausland hat. Zum anderen sind die Einkunftsgrenzen des § 1 Abs. 3 S. 2 EStG zu beachten. Hierbei ist auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und war (bis zum VZ 2007) der maßgebliche Betrag von 6 136 EUR (seitdem und heute: ist der Grundfreibetrag) zu verdoppeln, § 1a Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG.
Eine Zusammenveranlagung war danach bis 2007 nur dann möglich, wenn entweder die Einkünfte beider Ehegatten im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der deutschen ESt unterliegen (sog. relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der deutschen ESt unterliegenden Einkünfte den Betrag von 12 272 EUR nicht überstiegen (sog. absolute Wesentlichkeitsgrenze). Die Höhe der nicht der deutschen ESt unterliegenden Einkünfte musste (und muss) zudem gem. § 1a Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 S. 4 (jetzt S. 5) EStG durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen werden.
Der BFH stellt klar, dass es sich bei diesem Nachweiserfordernis um eine materiell-rechtliche – und nicht nur formale – Voraussetzung handelt. Sie muss zwar nicht auf einem amtlichen Vordruck erbracht werden; die entgegenstehende Verwaltungspraxis (BMF, Schreiben vom 30.12.1996, BStBl I 1996, 1506, Tz. 1) wird verworfen. Sie ist aber in der Sache unverzichtbar, und zwar auch dann, wenn im Ausland "nichts" verdient wurde; das ist mittels einer sog. Nullbescheinigung der zuständigen ausländischen Finanzbehörden nachzuweisen.
3. Wie es sich verhält, wenn der Wohnsitzstaat nicht "mitspielt" und es deswegen unmöglich ist, einen entsprechenden Nachweis zu erbringen, lässt der BFH offen.
Solche Fragen können sich allerdings auch andernorts stellen, etwa bei nicht selbstständigen, im Ausland erbrachten und dort nach Maßgabe eines DBA "an sich" freigestellten Einkünften, für die § 50d Abs. 8 EStG dem Steuerpflichtigen ein Besteuerungsnachweis abverlangt und ihn andernfalls mit den betreffenden Einkünften ungeachtet des DBA in Deutschland (als Wohnsitzstaat) besteuert. Oft wird es aber gar nicht möglich sein, einen solchen Besteuerungsnachweis zu erbringen, z.B. bei Subunternehmerverhältnissen. Unzumutbares kann aber kaum eingefordert werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 08.09.2010 – I R 80/09