Leitsatz
1. Legt der Steuerpflichtige zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts das Gutachten eines Sachverständigen für Grundstücksbewertung vor und gelangt der Gutachter nach einer Wertermittlung sowohl im Sachwert- als auch im Ertragswertverfahren mit zutreffender Begründung dazu, dass das Grundstück ausschließlich im Ertragswertverfahren zu bewerten ist, handelt das FA rechtswidrig, wenn es den Grundstückwert ohne weitere Begründung auf den Mittelwert beider Werte feststellt.
2. Fehlt als letzter Schritt einer Grundstücksbewertung nach der WertV die Anpassung an die Marktverhältnisse gem. § 7 Abs. 1 S. 2 WertV, ist der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts (noch) nicht geführt. Die Preisbildung am Grundstücksmarkt richtet sich nicht nur nach den Ertragserwartungen der Nachfrager.
3. Beim Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts gem. § 146 Abs. 7 BewG i.d.F. vor 2007 war auf die Wertverhältnisse vom Bewertungsstichtag abzustellen.
Normenkette
§ 138 Abs. 1 S. 2, § 146 Abs. 2 und 7 BewG vor 2007, § 3 Abs. 3, § 7 Abs. 1 und 2 WertV
Sachverhalt
Das FA stellte den Grundstückswert für einen ererbten Miteigentumsanteil an einem bebauten und gewerblich genutzten Grundstück gem. § 146 Abs. 2 BewG a.F. auf den Todeszeitpunkt fest. Unter Vorlage eines Sachverständigengutachtens verlangten die Erben, einen niedrigeren gemeinen Wert festzustellen. Der Gutachter hatte sowohl einen Sach- als auch einen Ertragswert ermittelt. Er hielt aber lediglich den Ertragswert für maßgeblich.
Das FA kam den Erben insoweit entgegen, als es den Mittelwert beider Werte ansetzte. Damit gaben sich die Erben nicht zufrieden. Das FG war der Ansicht, ein niedrigerer gemeiner Wert des Grundstücks als durch die Einspruchsentscheidung festgestellt sei nicht nachgewiesen (FG München, Urteil vom 01.08.2007, 4 K 4260/05, Haufe-Index 1809387, EFG 2007, 1746).
Entscheidung
Der BFH missbilligte diese schematische Mittelung. Er hielt aus einer Reihe von Gründen das Gutachten aber nicht für geeignet, den gewollten niedrigeren Wert zu belegen. Er verwies daher die Sache an das FG zurück, um den Erben zu ermöglichen, das Gutachten nachbessern zu lassen.
Hinweis
1. Der Streitfall bot dem BFH erstmals Gelegenheit, sich detailliert mit den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zu befassen. Gegenstand bisheriger Entscheidungen war, wie der Nachweis geführt werden kann und auf welchen Bewertungsstichtag abzustellen ist.
2. Zu der Frage des Bewertungsstichtags erzwang der Streitfall noch eine Auseinandersetzung mit § 138 Abs. 1 S. 2 BewG i.d.F. vor dem StÄndG 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I S. 2878), wonach die Wertverhältnisse vom 01.01.1996 maßgeblich sein sollten. Da aber § 146 Abs. 2 BewG a.F. an den Durchschnitt der in den letzten drei Jahren vor dem Bewertungsstichtag erzielten Mieten anknüpfte – und damit nicht an die Wertverhältnisse zum 01.01.1996 –, hielt es der BFH aus Gründen der Vergleichbarkeit für erforderlich, auch den niedrigeren gemeinen Wert auf diesen Stichtag zu ermitteln.
3. Der Nachweis ist erbracht, wenn das FA oder FG dem Gutachten ohne Einschaltung weiterer Sachverständiger folgen kann. Einem Gutachten, das bei Fehlen bewertungsrechtlicher Sonderregelungen den Vorgaben der WertV entspricht und plausibel ist, ist regelmäßig zu folgen. Zu den bewertungsrechtlichen Sonderregelungen gehörte die Nichtberücksichtigung unentgeltlicher Nutzungsrechte (vgl. nunmehr Länder-Erlasse vom 23.12.2008, BStBl. I 2009, 344).
4. Soweit danach – wie insbesondere bei Geschäftsgrundstücken – eine Bewertung im Ertragswertverfahren nicht zu beanstanden ist, ist die Versuchung groß, den Ertragsgesichtspunkt zu überziehen und nicht zu fragen, ob der Eigentümer sein Grundstück zu diesem Wert tatsächlich veräußern würde. Ein besonders anschauliches Beispiel dafür lag dem BFH-Urteil vom 05.12.2007, II R 70/05 (BFH/NV 2008, 757) zugrunde. § 7 Abs. 1 S. 2 WertV sieht aber für alle Bewertungsverfahren – und das ist besonders wichtig für eine Bewertung im Ertragswertverfahren – als letzten Schritt die Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt vor. Das bedeutet ggf. eine Anpassung an die Marktverhältnisse. Dazu muss sich der Gutachter äußern.
5. Eine weitere Versuchung besteht darin, sich bei den einzelnen wertbeeinflussenden Größen (im Streitfall beim Liegenschaftszinssatz und den Bewirtschaftungskosten) die Sache zu einfach zu machen. Hier werden spätestens die FGe auf Nachbesserung bestehen müssen. Solange der Fall noch beim FA liegt, sollte der Steuerpflichtige nicht akzeptieren, dass das FA mithilfe seiner Fachleute ein "Gegengutachten" erstellt, sondern darauf bestehen, dass das FA im Einzelnen darlegt, in welchen Punkten es das vorgelegte Gutachten für unzulänglich oder nicht plausibel hält. Nur dann weiß er, wo er nachlegen muss.
6. Schließlich hatte sich der BFH auch noch zu dem umstrittenen Thema eines Abschlags vom Bodenwert zu äußern, der mit Nachteilen der vorhandenen Bebauung begründet wird. Ein ...