Zusammenfassung
Die Nahtlosigkeitsregelung des Arbeitslosengeldes soll dauerhaft leistungsgeminderte Arbeitnehmer vor Nachteilen schützen, die infolge der unterschiedlichen Zuständigkeiten von Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung auftreten können. Das Arbeitslosengeld nach der Sonderregelung soll danach insbesondere die Sicherungslücke abdecken, die zwischen dem Auslaufen des Krankengeldes und der Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung entstehen kann. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld kann dabei auch bestehen, wenn das Arbeitsverhältnis noch formal fortbesteht.
Sozialversicherung: Der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Minderung der Leistungsfähigkeit ist in § 145 SGB III geregelt.
1 Zweck
Bei der Nahtlosigkeitsregelung handelt es sich um eine Sonderform des Arbeitslosengeldes. Sie kommt typischerweise in Betracht, wenn ein dauerhaft leistungsgeminderter Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Krankengeld ausgeschöpft hat, ehe der Rentenversicherungsträger über eine Rente wegen voller Erwerbsminderung entschieden hat. Derartige Lücken im Versicherungsschutz sollen zwar grundsätzlich nicht auftreten. So sieht das Recht der Krankenversicherung vor, Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet oder vermindert ist, rechtzeitig aufzufordern, einen Antrag auf
- Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bzw. auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder
- eine Rente wegen voller Erwerbsminderung
zu stellen.
Gleichwohl kommt es immer wieder vor, dass das Krankengeld endet, ehe der Rententräger über einen solchen Leistungsantrag entschieden hat. Die leistungsgeminderten Arbeitnehmer, die zuvor Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung gezahlt haben, sollen in dieser schwierigen Situation nicht ohne sozialen Schutz dastehen. Deshalb hat der Gesetzgeber mit der Nahtlosigkeitsregelung der Arbeitslosenversicherung die Aufgabe zugewiesen, die Betreffenden bis zur Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über das Vorliegen einer Erwerbsminderung abzusichern.
2 Voraussetzungen
Ein Anspruch auf Nahtlosigkeits-Arbeitslosengeld setzt voraus, dass
- der Antragsteller allein deshalb nicht arbeitslos (für den Arbeitsmarkt verfügbar) ist, weil er wegen einer mehr als 6-monatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit nicht in der Lage ist, versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen unter üblichen Arbeitsmarktbedingungen auszuüben und
- der zuständige Rentenversicherungsträger verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung (noch) nicht festgestellt hat.
2.1 Fiktion der Verfügbarkeit
Kern der Nahtlosigkeitsregelung ist die Fiktion der für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erforderlichen Verfügbarkeit, weil diese infolge des auf weniger als 15 Stunden wöchentlich geminderten Leistungsvermögens nicht vorliegt. Alle anderen Leistungsvoraussetzungen müssen im Grundsatz uneingeschränkt vorliegen. Insbesondere muss die Anwartschaftszeit (mindestens 12 Monate Versicherungszeit innerhalb der letzten 30 Monate vor Anspruchsbeginn) erfüllt sein.
Grundsätzlich ist auch eine persönliche Arbeitslosmeldung erforderlich. Diese kann ggf. außerhalb der Dienststelle der Agentur für Arbeit angenommen werden oder rechtswirksam durch einen Vertreter erfolgen, wenn dem Arbeitslosen eine Vorsprache, z. B. wegen eines Krankenhausaufenthalts, nicht möglich ist. Nach Wegfall des Hinderungsgrunds hat der Antragsteller die persönliche Meldung jedoch unverzüglich nachzuholen. Seit dem 1.1.2022 ist neben der persönlichen Arbeitslosmeldung auch eine elektronische Arbeitslosmeldung im IT-Portal der Bundesagentur für Arbeit rechtswirksam. Eine elektronische Arbeitslosmeldung setzt eine rechtssichere Identifizierung voraus. Dies ist nach den derzeitigen gesetzlichen Regelungen über die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises möglich.
Schließlich muss der Antragsteller im Rahmen seines Leistungsvermögens bereit sein, zumutbare Beschäftigungen anzunehmen und an Eingliederungsmaßnahmen teilzunehmen, darf also bei einem noch vorhandenen Restleistungsvermögen nicht generell jede Arbeitsbereitschaft oder Eigenbemühungen ausschließen. Derartige Anforderungen dürften aber nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen.
Ausnahmen gelten hinsichtlich der im Allgemeinen geforderten Erreichbarkeit. Das Arbeitslosengeld nach der Nahtlosigkeitsregelung wird danach auch dann gezahlt, wenn sich der Leistungsberechtigte aus Gründen, die auf der Leistungsminderung beruhen (z. B. Krankenhausbehandlung), außerhalb des Nahbereichs der zuständigen Agentur für Arbeit aufhält.
2.1.1 Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses
Endet während eines Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers die Höchstanspruchsdauer auf Krankengeld, muss das Arbeitsverhältnis nicht beendet werden, um Arbeitslosengeld nach der Nahtlosigkeitsregelung zu beziehen. Ein Aufrechterhalten der "rechtlichen Hülle Arbeitsverhältnis" kann z. B. dann sinnvoll sein, wenn der Arbeitnehmer dadurch Anwartschaften bei einer betrieblichen...