a) Der (aktuelle) Sachverhalt aus Österreich
Luxury Trust Automobil (im Folgenden: L) ist eine österreichische GmbH mit Sitz in Österreich. Ihre Geschäftstätigkeit besteht darin, Luxusfahrzeuge grenzüberschreitend zu vermitteln und zu verkaufen.
Im Jahr 2014 erwarb L mit ihrer österreichischen USt-IdNr. Fahrzeuge von einem im Vereinigten Königreich ansässigen Lieferanten (im Folgendem: V). Zum Zeitpunkt der Transaktion war das Vereinigte Königreich (UK) noch EU-Mitgliedstaat. Diese Fahrzeuge verkaufte L weiter an die M s. r. o. (im Folgendem: M; bei der Rechtformabkürzung "s.r.o." handelt es sich um eine tschechische Gesellschaftsform vergleichbar mit einer deutschen GmbH) in Tschechien. Der Transport der Fahrzeuge wurde von L veranlasst. Die Lieferung von V (UK-USt-IdNr.) an L wurde als innergemeinschaftliche Lieferung ex UK, die Lieferung von L (österreichische USt-IdNr.) an M (tschechische USt-IdNr.) wurde von L als innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft eingestuft. Die streitgegenständlichen Rechnungen von L an M enthielten (nur) den Hinweis "Steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft".
Skizze der gewählten Abwicklung durch die Beteiligten
* United Kingdom war zu diesem Zeitpunkt noch EU-Mitglied
b) Beurteilung der österreichischen Finanzverwaltung
Das österreichische Finanzamt setzte für L eine österreichische (ö) Umsatzsteuerschuld für das Jahr 2014 fest. Grund hierfür war die fehlende Angabe über die Verlagerung der Steuerschuld auf den Endkunden M. Lt. ö-Finanzverwaltung lag aufgrund der fehlenden Rechnungsangabe kein (ordnungsgemäßes) Dreiecksgeschäft vor, so dass das Reihengeschäft nach den "üblichen" Regeln zu würdigen war. Als Ergebnis dieser Rechtsaufassung hatte L einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich zu deklarieren und österreichische Erwerbsteuer zu zahlen, da L nachweislich mit ihrer österreichischen USt-IdNr. beim Wareneinkauf gegenüber ihrem Lieferanten V aufgetreten war. Die Erwerbsteuer konnte L nicht als Vorsteuer in Österreich geltend machen.
Skizze zur Beurteilung der österreichischen Finanzverwaltung
* United Kingdom war zu diesem Zeitpunkt noch EU-Mitglied
Heilung durch L im Berufungsverfahren möglich? Bei einer Beschwerde seitens L, die abgewiesen wurde, ergänzte das österreichische Bundesfinanzgericht (ö-BFG), dass die betroffenen Rechnungen, die von L anschließend korrigiert wurden, nicht an den Endkunden M zugestellt werden konnten. Dieser war nämlich für die tschechische Steuerverwaltung nicht mehr erreichbar und wurde entsprechend als "Missing Trader" eingestuft.
Außerdem hatte M keine Umsatzsteuer aus den Dreiecksgeschäften in Tschechien erklärt und abgeführt. Aufgrund dieser Tatsache sei eine Berichtigung der Rechnungen durch L nicht möglich. Das ö-BFG fügte hinzu, dass die Bestimmungen zum Dreiecksgeschäft ein Wahlrecht des Erwerbers (der Unternehmer in der Mitte der Lieferkette = der Zwischenhändler = L) seien. Weiterhin muss dieser (L) für eine Steuerfreiheit seines innergemeinschaftlichen Erwerbs im EU-Bestimmungsland (Tschechien) und den Übergang der tschechischen Umsatzsteuerschuld auf den Empfänger der Lieferung (M) zwingend die Angabe der Verlagerung der Steuerschuld nach Art. 25 österreichisches UStG (ö-UStG) in seinen Rechnungen angeben. Da diese Angaben in den Rechnungen von L fehlten, könne die Regelung des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes nach Art. 25 ö-UStG nicht angewendet werden.
c) Exkurs: "Facet" oder wieso kann die Erwerbsteuer nicht als Vorsteuer geltend gemacht werden?
In zwei Entscheidungen hat der deutsche Bundestfinanzhof (d-BFH) Urteile vom 8.9.2010 und 1.9.2010 – den Vorsteuerabzug aus innergemeinschaftlichen Erwerben versagt, wenn der Erwerber eine andere USt-IdNr. verwendet als die des Bestimmungslandes der Ware.
In beiden Fällen kauften deutsche Unternehmer Ware unter Verwendung ihrer deutschen USt-IdNr. innergemeinschaftlich ein. Bestimmungsland der Ware war jedoch nicht Deutschland. Die innergemeinschaftlichen Erwerbe wurden nicht im EU-Bestimmungsland der Ware (§ 3d S. 1 d-UStG), sondern im Land der verwendeten USt-IdNr., also in Deutschland (§ 3d S. 2 d-UStG), besteuert. Der Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 d-UStG) wurde zeitgleich vorgenommen.
Die Erwerbsbesteuerung und insbesondere der Vorsteuerabzug erfolgten somit im "falschen" Staat, denn grundsätzlich ist der Erwerb im Warenbestimmungsland zu erklären. Im Raum stand auch der Vorwurf der Einbindung der Unternehmen in ein Umsatzsteuerkarussell.
Der EuGH hatte in seinen Urteilen "X und Facet Trading BV" (Urteile jeweils vom 22.4.2010 – C-536/08 und C-539/08) für derartige Fallkonstellationen (Verwendung einer vom Bestimmungsland abweichenden USt-IdNr.) die Besteuerungspflicht im Land der verwendeten USt-IdNr. bejaht, eine Entlastung qua zeitgleichem Vorsteuerabzug jedoch verneint. Aus diesem Grund kann man auch von einer "Straf-Erwerbsteuer" sprechen, die dem Ziel dient, dass Unternehmer die systembedingten Spielregeln einhalten und sich compliant verhalten. Hand aufs Herz: Irgendwie nachvollziehbar, denn wahrscheinlich ist der Abfluss von EBIT-relevantem Geld die effektivste "erzieherische Maßnahme", eine Verhaltungsänderung herbeizuführen.
In seiner Ent...