Zugleich Anmerkung zum Urteil des EuGH v. 8.9.2022 in der Rs. C-98/21
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. (FH) Christian Grebe / Dipl.-Finw. (FH) Holger Raudszus
Das Thema des Vorsteuerabzugs bei Holdinggesellschaften ist ein umsatzsteuerrechtlicher Dauerbrenner. Für große Verunsicherung in der Praxis hatte die Vorlage des BFH an den EuGH bei sog. Vorschalt-Modellen gesorgt, die dadurch gekennzeichnet sind, dass vorsteuerbelastete Eingangsleistungen im Wege der Gesellschaftereinlage (Sacheinlage) in nachfolgende Tochtergesellschaften eingelegt werden, die typischerweise steuerfreie Ausgangsleistungen erbringen (vgl. BFH v. 23.9.2020 – XI R 22/18, UR 2021, 238 = UStB 2021, 67 [Fritsch]). Der EuGH hat diesen Vorschaltmodellen jedoch jüngst einen Riegel vorgeschoben. Nach einer kurzen Darstellung des Status Quo wird nachstehend die EuGH-Entscheidung vorgestellt und gewürdigt.
I. Bisherige neuere Rechtsprechung des EuGH
1. Holdingformen und Unternehmerstatus
Ausgangspunkt des Vorsteuerabzugs einer sog. Holding ist die Unternehmereigenschaft nach § 2 UStG. Eine Holding ist eine Gesellschaft, deren Unternehmenszweck darin besteht, unmittelbar oder mittelbar Beteiligungen an einem oder mehreren rechtlich selbständigen Wirtschaftsgebilden zu erwerben, zu halten oder zu veräußern, wobei die Gesellschaft die Beteiligungen an anderen Unternehmen im Konzernkreis hält, ohne dabei eigene operative Tätigkeiten wahrzunehmen.
Holdingtypen: Man unterscheidet zwischen der sog. Finanzholding und der sog. Führungsholding. Während sich die Tätigkeit einer Finanzholding auf das Halten der Beteiligung und die Wahrnehmung der typischen Gesellschafterfunktion beschränkt und sie dadurch keinen weiteren Einfluss auf das Beteiligungsunternehmen hat, ist eine Führungs- oder Funktionsholding dadurch gekennzeichnet, dass sie über die Finanzierungs- und Verwaltungsfunktionen hinausgehende aktive Eingriffe in das Geschäft der Beteiligungsgesellschaft durchführt, etwa um im Interesse einer einheitlichen Leitung die strategische Ausrichtung des gesamten Konzerns zu steuern. Ferner gibt es noch die sog. gemischte Holding, bei der die Holding nur gegenüber einigen Tochtergesellschaften aktive Eingriffe in deren Geschäft vornimmt (potentieller Leistungsaustausch), daneben aber auch Beteiligungen hält, bei denen sie nicht im Leistungsaustausch tätig wird.
Keine Unternehmereigenschaft einer Finanzholding: Eine Holding, die keine Leistungen gegen Entgelt erbringt und deren Tätigkeit ausschließlich im Halten und Verwalten gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen besteht, ist nicht als Unternehmer i.S.v. § 2 UStG anzusehen, da sie keine unternehmerische Tätigkeit ausübt. Eine mögliche Dividende der Finanzholding stellt dabei kein Entgelt für eine wirtschaftliche Leistung dar, sondern ist Ausfluss des bloßen Innehabens der Anteile.
Unternehmereigenschaft einer Führungs- bzw. Funktionsholding: Greift die Holding hingegen aktiv in das laufende Tagesgeschäft ihrer Tochter- oder Enkelgesellschaften ein, kann sie (insoweit) unternehmerisch bzw. wirtschaftlich tätig werden. Wenn eine Holding sowohl Anteile an einer Gesellschaft hält, in deren Verwaltung sie unmittelbar oder mittelbar eingreift, als auch solche, in deren Verwaltung sie nicht unmittelbar oder mittelbar eingreift, kann sie in Bezug auf die erstgenannten Anteile eine wirtschaftliche und in Bezug auf letztere eine nichtwirtschaftliche Sphäre begründen (sog. gemischte Holding).
Damit eine Führungs- bzw. gemischte Holding als Unternehmer das Recht auf Vorsteuerabzug gem. § 15 UStG ausüben kann, müssen Leistungen gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 UStG nachhaltig und selbständig mit Einnahmeerzielungsabsicht ausgeführt werden. Die Absicht, Einnahmen zu erzielen, ist dahingehend auszulegen, dass der Leistung der Holding eine Gegenleistung der Tochtergesellschaft gegenüberstehen muss (Leistungsaustausch). Zur Annahme eines solchen Leistungsaustauschs zwischen dem Gesellschafter (Holding) und der Gesellschaft (Tochtergesellschaften) reicht es nicht aus, dass die Holding für ihre Leistungen als Gegenleistung lediglich wie auch immer bezeichnete Gewinnanteile erhält. Erbringt eine Holding lediglich einen nichtsteuerbaren Gesellschafterbeitrag gegen Gewinnbeteiligung, stellt dies keine entgeltliche, die Unternehmereigenschaft begründende Leistung dar. Die Gewinnbeteiligung stellt kein Entgelt dar. Ein Leistungsaustausch kann vielmehr nur dann angenommen werden, wenn die Gegenleistung nicht auf gesellschaftsrechtlicher, sondern auf schuldrechtlicher Ebene gewinnunabhängig vereinbart wird (sog. Sonderentgelt).
Weites Verständnis des Eingriffs einer Holding in die Verwaltung ihrer Gesellschaften: Es ist inzwischen unbestritten, dass beispielsweise das Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen oder technischen Dienstleistungen der Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften eine wirtsc...