1. Allgemeines
Im Zentrum der ab 1.1.2025 geltenden Neuregelungen steht die Aufhebung der Beschränkung auf im Inland ansässige Unternehmer. Grenzüberschreitend tätige Kleinunternehmer können die Steuerbefreiungsvorschrift grundsätzlich in allen Mitgliedstaaten in Anspruch nehmen, sofern der Mitgliedstaat eine solche Regelung einführt, denn die Mitgliedstaaten haben gem. Art. 284 Abs. 1 MwStSystRL n.F. ein Wahlrecht dahingehend, die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer einzuführen.
Entscheidet sich ein Mitgliedstaat dazu, die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer einzuführen bzw. angepasst fortzuführen, so muss er gem. Art. 284 Abs. 2 MwStSystRL n.F. die Steuerbefreiung auch Kleinunternehmern gewähren, die in anderen Mitgliedstaaten sind. Im Drittland ansässige Unternehmen sind somit weiterhin von der Steuerbefreiung ausgeschlossen. Dabei steht dem Kleinunternehmer gem. Art. 290 MwStSystRL (weiterhin) ein Wahlrecht zu, ob er die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen will oder aber er der Regelbesteuerung unterliegen will (Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung). Neu ist diesbezüglich, dass der Unternehmer gem. Art. 284 Abs. 4 MwStSystRL n.F. sein Wahlrecht separat in jedem Mitgliedstaat ausüben kann, sofern dort die jeweiligen nationalen Voraussetzungen der Steuerfreiheit gegeben sind.
Ein im Inland ansässiger Unternehmer, der hier der Regelbesteuerung unterliegt, kann gem. Art. 284 Abs. 2 MwStSystRL n.F. sogar für seine im EU-Ausland erbrachten Leistungen grundsätzlich die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer in Anspruch nehmen, sofern der Schwellenwert des jeweiligen Mitgliedstaates, in dem die USt geschuldet wird, nicht überschritten wird und daneben der sog. Jahresumsatz in der Union nicht überschritten wird, welcher unionseinheitlich 100.000 EUR beträgt. Für den umgekehrten Fall, wenn ein im Inland ansässiger Unternehmer den nationalen Schwellenwert nicht überschreitet, gleichwohl aber den Jahresumsatz in der Union überschreitet, darf er die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer im Inland dennoch in Anspruch nehmen.
2. Zu beachtende Umsatzgrenzen des Kleinunternehmers
Durch die Neukonzeption der Steuerbefreiung für Kleinunternehmer müssen diese bzw. die Steuerbehörden ab 1.1.2025 nunmehr drei Umsatzgrößen überwachen bzw. im Blick haben, nämlich die nationale Grenze des Ansässigkeitsstaates, die nationalen Grenzen der anderen Mitgliedstaaten sowie den obligatorischen Jahresumsatz in der Union i.H.v. 100.000 EUR.
a) Nationale Umsatzgrenze der Mitgliedstaaten
Art. 284 Abs. 1 MwStSystRL n.F. räumt dem Mitgliedstaat der Ansässigkeit ein Wahlrecht ein, für die in seinem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmer einen nationalen Schwellenwert für die Steuerbefreiung einzuführen, der jedoch 85.000 EUR nicht überschreiten darf. Die nationale Grenze eines Mitgliedstaats gilt gem. Art. 284 Abs. 1 Unterabs. 4 und Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL n.F. einheitlich für die Anwendung des maßgeblichen Gesamtumsatzes in diesem Staat durch alle im Inland sowie im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer.
Art. 284 Abs. 1 Unterabs. 2 und Unterabs. 3 MwStSystRL n.F. erlaubt dabei sogar unterschiedliche Schwellenwerte für verschiedene Wirtschaftsbereiche, wobei der Unternehmer aber nur einen dieser Schwellenwerte für die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen darf.
Wird die vom Ansässigkeitsstaat festgelegte Grenze überschritten, so unterliegt der Kleinunternehmer gem. Art. 288a Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 MwStSystRL n.F. im Folgejahr zwingend der Regelbesteuerung. Für das Kalenderjahr, in dem die Grenze überschritten wird, sieht Art. 288a MwStSystRL n.F. verschiedene Möglichkeiten vor. Die Mitgliedstaaten können einerseits festlegen, dass die Steuerbefreiung ab dem Zeitpunkt, ab dem der nationale Schwellenwert überschritten wird, keine Anwendung mehr findet. Daneben gibt es auch die Möglichkeit, die Steuerbefreiung ohne einen unterjährigen Wechsel weiterhin zu gewähren, sofern bestimmte relative Obergrenzen nicht überschritten sind (vgl. Art. 288a Abs. 1 Unterabs. 2 und 3 MwStSystRL).