Seit der Aufwertung der ZM durch die Quick Fixes wird nahezu einhellig vertreten, dass die ZM nun eine materielle Voraussetzung für die Steuerbefreiung sei. In Abgrenzung hierzu sprechen sich Connemann / Meyer-Burow mit Verweis auf den Richtlinienwortlaut von Art. 138 Abs. 1a MwStSystRL insbesondere dafür aus, dass es sich bei der Abgabeerfordernis der ZM lediglich um eine formelle Voraussetzung handele.
Materielle oder formelle Voraussetzung? Die Unterscheidung zwischen einer materiellen und einer formellen Voraussetzung spielt u.a. im Zusammenhang mit dem Recht zum Vorsteuerabzug eine Rolle und hat hier zu einer gefestigten Rechtsprechung geführt. Die Differenzierung zwischen einer materiellen und formellen Voraussetzung sei hierbei notwendig, damit das Grundprinzip der Neutralität der Mehrwertsteuer nicht verletzt werde. Entsprechend wird der Vorsteuerabzug auch dann gewährt, wenn (lediglich) die materiellen Anforderungen erfüllt sind, also auch dann wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat. Nach dem EuGH sind die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach Art. 167 i.V.m. Art. 168 Buchst. a MwStSystRL zu bestimmen, während sich die formellen Anforderungen nach Art. 178 Buchst. a MwStSystRL richten. Entsprechend sind beim Vorsteuerabzug die materiellen Voraussetzungen erfüllt, wenn eine Leistung erbracht worden ist.
ZM keine materielle Voraussetzung aufgrund Einordnung in Gesetzessystematik: Übertragen auf die Steuerbefreiung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen bedeutet dies m.E. nichts anderes. Auch hier ist aus materiell-rechtlicher Hinsicht entscheidend, dass eine innergemeinschaftliche Lieferung nach den in § 6a UStG normierten Voraussetzungen vorliegt. Dass die ZM keine weitere "materielle" Voraussetzung ist, kann man m.E. bereits daraus ableiten, dass das Erfordernis systematisch nicht in § 6a UStG, sondern in § 4 Nr. 1 Buchst. b S. 1 Halbs. 2 UStG normiert ist. Diese systematische Unterscheidung greift sogar die Finanzverwaltung an anderer Stelle auf. Hat ein Unternehmer im Zeitpunkt der Lieferung etwa keine oder keine gültige USt-IdNr., kann dies nicht rückwirkend geheilt werden. Tatbestandlich liegt nämlich gem. § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG mangels gültiger USt-IdNr. im Zeitpunkt der Lieferung per se keine innergemeinschaftliche Lieferung vor für die die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 b UStG in Betracht kommt. Anders als die USt-IdNr. ist das Vorliegen der ZM aber gerade nicht in § 6a UStG normiert.
Sofern es sich bei der ZM ferner um eine materielle Voraussetzung handeln würde, ist unklar, weshalb die ZM im Einzelfall sogar entbehrlich ist, wenn der Steuerpflichtige entsprechende Entschuldigungsgründe vorweisen kann.
Entsprechend sind solche Pflichten in Bezug auf die ZM weiterhin als formell anzusehen. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, bis wann formelle Fehler bei der ZM ggf. korrigiert werden könnten. Hierbei könnte man analog auf die Ausführungen zu korrigierten Rechnungen verweisen, wonach solche bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG berichtigt und vorgelegt werden können.