Leitsatz
Eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG liegt auch vor, wenn einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen nicht mitübereignet worden sind, sofern sie dem übernehmer langfristig zur Nutzung überlassen werden und eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebs durch den übernehmer gewährleistet ist.
Normenkette
§ 1 Abs. 1a UStG
Sachverhalt
Der Kläger betrieb bis Ende 1995 eine Metzgerei; seine Produkte verkaufte er über 3 Verkaufslokale, zwei auf ihm und seiner Ehefrau gehörenden Grundstücken, eines auf dem gemieteten Grundstück eines Dritten. Der Kläger hatte den Anteil der Ehefrau gemietet.
Der Kläger verkaufte sein Einzelunternehmen "inklusive Waren- und Lagerbestand, Materialien, Einrichtungsgegenständen, Maschinen, Geräte und Werkzeuge" an seinen Sohn. Seinen ertragsteuerrechtlich zum Betriebsvermögen des Einzelunternehmens gehörenden Miteigentumsanteil an den Grundstücken und den dem Unternehmen zugeordneten Pkw behielt er zurück.
Der Kläger und seine Ehefrau vermieteten jedoch ihre Grundstücke langfristig an den übernehmer. Auch den Mietvertrag für das von einem Dritten angemietete Verkaufslokal konnte der Sohn übernehmen. Der Kläger beurteilte diesen Vorgang als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung. FA und FG folgten dem nicht.
Entscheidung
Die Entscheidung Die Revision hatte Erfolg. Der BFH konnte aber nicht abschließend entscheiden, denn die Zurückbehaltung einzelner Wirtschaftsgüter erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG steuerbaren Eigenverbrauch; auch kam u.U. eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 UStG in Betracht. Beides muss das FG noch prüfen.
Hinweis
Eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Bisher bestand im Wesentlichen übereinstimmung zu den ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen.
Die Abgrenzung zur einkommensteuerrechtlichen Beurteilung hatte der BFH unter Hinweis auf die Notwendigkeit einer spezifischen, an umsatzsteuerrechtlichen Zweck und Entstehungsgeschichte der Vorschrift orientierten Beurteilung schon im Urteil vom 15.10.1998, V R 69/97, BStBl II 1999, 41 eingeleitet und entschieden, eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG liege auch dann vor, wenn einzelne Wirtschaftsgüter zurückbehalten, die für den Betrieb wesentlich waren. Voraussetzung ist allerdings, dass diese dem übernehmer dauerhaft zur Nutzung überlassen werden.
Die Entscheidung betraf einen Landwirt, der wesentliches Grundvermögen zurückbehalten, aber dem Erwerber verpachtet hatte. Auch wenn die Abgrenzung mit einer änderung des § 24 UStG begründet wurde, d.h. speziell auf die Umsatzbesteuerung der Landwirte zugeschnitten war: Es war nicht zu erwarten, dass bei gleichem Wortlaut § 1 Abs.1a UStG Landwirte und Nichtlandwirte unterschiedlich behandelt werden dürften.
Die 6. EG-RL bestätigt die Entscheidung; Art. 5 Abs. 8 spricht von der übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens. Auch wenn nationale Maßnahmen – wie § 1 Abs. 1a UStG – eine Richtlinie umsetzen: die Mitgliedstaaten – und damit im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch die Gerichte – müssen auch nach Erlass dieser Maßnahmen weiterhin die vollständige Anwendung der Richtlinie tatsächlich gewährleisten (z.B. EuGH, Urteil vom 11.7.2002, Rs. C-62/00, Marks und Spencer, Rn. 27).
Die Frage, ob ein Unternehmen oder ein in der Gliederung gesondert geführter Betrieb "im Ganzen" übereignet wird, kann deshalb nicht nach nationalen ertragsteuerrechtlichen Kriterien, sondern nur unter Berücksichtigung des Zwecks der Regelung und der Richtlinie entschieden werden. Es muss (nur) eine organische Zusammenfassung von Sachen und Rechten übertragen werden, die dem Erwerber die Fortführung des Unternehmens oder des in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Teils ohne großen finanziellen Aufwand ermöglicht. Dazu ist aber nicht erforderlich, dass alle Wirtschaftsgüter, insbesondere auch die dem Unternehmen dienenden Grundstücke, übereignet werden.
Zur Vermeidung eines unversteuerten Letztverbrauchs genügt es, wenn der Erwerber Unternehmer ist, und ihm die dauerhafte "Fortführung" des Unternehmens durch ein langfristiges Nutzungsrecht ermöglicht wird.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 4.7.2002, V R 10/01