Leitsatz
Gem. § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a.F. erfolgte eine Anrechnung von Körperschaftsteuer einer unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaft i.H.v. 3/7 der Dividendenausschüttung auf die Einkommensteuer. Der Betrag von 3/7 entspricht dem Körperschaftsteueranteil, den in Deutschland ansässige Gesellschaften für ausgeschüttete Gewinne zu zahlen hatten, d.h. 30 %. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der oben zitierten Vorschriften ist eine Körperschaftsteueranrechnung hingegen ausgeschlossen, soweit die Dividende von einer ausländischen Kapitalgesellschaft stammt. Es ist daher offensichtlich, dass insoweit eine steuerliche Ungleichbehandlung von Dividenden inländischer und ausländischer Unternehmen vorliegt. Aus diesem Grund hält es der Senat für erheblich zweifelhaft, ob dieser Eingriff in die Freiheit des Kapitalverkehrs europarechtlich gerechtfertigt ist und ob Deutschland danach nicht vielmehr im Gegenteil dazu gezwungen war, auch im grenzüberschreitenden Fall das System der Steueranrechnung zur Anwendung zu bringen. Er hält daher eine Vorlage an den EuGH für geboten.
Sachverhalt
Die Kläger sind natürliche Personen, die die Anrechnung von 3/7 der Dividendeneinnahmen aus niederländischen und dänischen Aktien aus den Jahren 1995 bis 1997 beantragen. Zur Begründung geben sie an, dass die in § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a.F. vorgesehene Nichtanrechnung ausländischer Körperschaftsteuerbeträge gegen EG-Recht verstoße. Der EuGH habe im Urteil vom 6.6.2000 (EuGH, Urteil v. 6.6.2000, C-35/98, Verkooijen, EuGHE I 2001 S. 1327) in einer niederländischen Rechtssache entschieden, dass es mit dem EG-Vertrag unvereinbar sei, wenn bei der Einkommensteuer für Inlandsdividenden eine Steuerbefreiung gewährt werde, die für Dividenden aus anderen Mitgliedstaaten verweigert werde. Nach diesen Grundsätzen verstoße auch § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a.F. gegen den EGV, und es seien die genannten Beträge wie bei Inlandsdividenden anzurechnen. Das beklagte Finanzamt lehnte die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer ab, weil das von den Klägern zitierte EuGH-Urteil nur die Niederlande binde und nicht festgestellt werden könne, ob die dort geltende Rechtslage den deutschen Regelungen entspreche. Gegen die Ablehnung legten die Kläger Einspruch ein, den sie damit begründeten, dass der deutsche Gesetzgeber zwischenzeitlich das Anrechnungsverfahren mit der Begründung abgeschafft habe, es sei nicht europatauglich.
Entscheidung
Das Klageverfahren wird ausgesetzt. Es wird gem. Art. 234 EGV die Vorabentscheidung des EuGH über die strittige Rechtsfrage eingeholt. Die Anrufung des EuGH ist gem. Art. 234 EGV geboten, weil die Auslegung der Art. 56 und 58 EGV in entscheidungserheblicher Weise zweifelhaft ist. Aus der Ungleichbehandlung ergeben sich aus Sicht des Anteilseigners und unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorwegbelastung der Körperschaften bei Beteiligungen an deutschen Gesellschaften deutlich höhere Nettokapitalrenditen als bei der Beteiligung an ausländischen Gesellschaften, da Dividenden ausländischer Gesellschaften sowohl im Ausland als auch im Inland der Besteuerung unterliegen. Dies hat letztlich auch der deutsche Gesetzgeber erkannt, der die Abschaffung des vorgenannten Anrechnungsverfahrens im Rahmen des Steuersenkungsgesetzes unter anderem damit begründet hat, dass das Halbeinkünfteverfahren die Kapitalverkehrs- und die Niederlassungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union gewährleiste, während das Anrechnungsverfahren national beschränkt gewesen sei und zu Belastungsunterschieden geführt habe
Hinweis
Das Urteil ist für die Praxis von großer Bedeutung, da in Deutschland Anrechnungsbeträge erheblichen Umfangs noch nicht bestandskräftig veranlagt worden sind. Dem betroffenen Personenkreis ist somit zu empfehlen, entsprechende Anträge bzw. Klagen einzureichen. Sollte der EuGH im Ergebnis die Europarechtswidrigkeit des § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a.F. feststellen, was zu erwarten ist, können u.U. enorme Anrechnungspotentiale noch geltend gemacht werden.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Beschluss vom 24.06.2004, 2 K 2241/02