Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der AdV
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen der AdV durch das FG.
- Die Frage der Rechtmäßigkeit der Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit EU-Recht ist sowohl in der Finanzgerichtsbarkeit als auch im Schrifttum umstritten.
- Bei ungeklärter Rechtslage in Judikatur und Schrifttum ist AdV zu gewähren.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2-3; UStG § 4 Nr. 9b
Streitjahr(e)
2007
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten.
Die Antragstellerin erzielt Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten. Mit Bescheiden vom 16.04.2007 über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Januar bzw. Februar 2007 unterwarf der Antragsgegner die Umsätze aus Geldspielgeräten der Steuerpflicht (Zahllast: 778,67 EUR für Januar bzw. 2.457,16 EUR für Februar).
Hiergegen erhob die Antragstellerin unter dem 18.05.2007 Einspruch und beantragte die Umsätze aus Geldspielgeräten ohne Vorsteuerabzug steuerfrei zu stellen. Zur Begründung führte sie an, dass die Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG (Inkrafttreten der Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG am 06.05.2006) keine rechtmäßige Umsetzung der 6. EG-Richtlinie in nationales Recht darstelle.
Den gleichzeitig gestellten Aussetzungsantrag lehnte der Antragsgegner mit Verfügung vom 23.05.2007 ab. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass der Gesetzgeber durch die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG die umsatzsteuerliche Neutralität hergestellt habe, indem die bislang umsatzsteuerfreien Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind, in die Umsatzsteuerpflicht einbezogen würden.
Dagegen hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) an das Gericht gestellt, den sie im Wesentlichen mit dem AdV-Beschluss des FG Düsseldorf vom 27.03.2007 (5 V 4521/06 A (U), UR 2007, 455) begründete.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung der Bescheide vom 16.04.2007 über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Januar und Februar 2007 auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er hält daran fest, dass der Gesetzgeber mit der durch § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. erlaubten (generellen) Besteuerung von sonstigen Glücksspielumsätzen (einschließlich solcher aus dem Betrieb von Geldspielgeräten) den ihm durch Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der MwStSystRL (Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie) eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht überschritten habe.
Er bezieht sich dabei auf die Gesetzesbegründung der Bundesregierung (BT-Drucks. 326/05) und führt aus, dass die Mitgliedstaaten nach der Richtlinienvorschrift nicht verpflichtet seien, sämtliche Glücksspiele mit Geldeinsatz steuerfrei zu stellen, sondern im Gegenteil, Einschränkungen („Bedingungen und Beschränkungen”) vornehmen dürften. Bei der Ausgestaltung dieser Einschränkungen habe sich der Gesetzgeber am umsatzsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz derart auszurichten, dass gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Glücksspielumsätze umsatzsteuerlich gleich behandelt würden. Dieser gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe genüge die Neuregelung, da Glücksspiele und Glücksspielgeräte aller Art sowohl innerhalb als auch außerhalb zugelassener öffentlicher Spielbanken nunmehr gleich behandelt und der Besteuerung unterworfen würden. Die fortbestehende Befreiung der Wetten und Lotterien, die dem Rennwett- und Lotteriegesetz unterlägen, verletze den Neutralitätsgrundsatz nicht, da diese Umsätze mit den übrigen Glücksspielumsätzen nicht vergleichbar seien.
Außerdem habe der 16. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts mit Beschluss vom 22.05.2007 (16 V 137/07 n.v.) bereits entschieden, dass keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Neuregelung des § 4 Nr. Buchst. b UStG bestünden.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist begründet. Die Vollziehung der streitbefangenen Umsatzsteuer-Voranmeldung ist ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen.
1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiege...