Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1989. Ertragsanteil bei Erwerbsunfähigkeitsrente
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid vom 21. Oktober 1991 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 1993 wird geändert. Die Einkommensteuer wird auf 4.012 DM festgesetzt.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Ertragsanteils einer Berufsunfähigkeitsrente im Streitjahr 1989.
Die Kläger sind Eheleute. Sie wurden im Streitjahr zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erklärte in seiner Steuererklärung 1989 u.a. Einnahmen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsrente von 80.473 DM. Als Laufzeit der Rentenzahlungen gab er den 1. Januar 1988 bis 1. Februar 1990 an.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) legte der Rente einen Ertragsanteil von 39 v.H. zugrunde und unterzog nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrags 31.184 DM der Besteuerung.
Der unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Januar 1991 (BStBl II 1991, 680) erhobene Einspruch war erfolglos. Dagegen richtet sich die Klage.
Der Kläger trägt vor, das FA habe unzutreffend angenommen, die Rente werde mit Erreichen des 62. Lebensjahres in eine Altersrente umgewandelt. Die Rente sei von der Versicherung nur bis Februar 1990 bewilligt gewesen. Eine Verlängerung über diesen Termin hinaus, sei von einer ärztlichen Untersuchung abhängig. Diese sei in den Folgejahren auch immer durchgeführt worden. Deshalb sei der Ertragsanteil nach der voraussichtlichen Laufzeit der Rente – hier bis Februar 1990 – zu bestimmen. Bei einer Laufzeit von zwei Jahren müsse der Ertragsanteil nur mit 2 v.H. angesetzt werden.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1989 vom 21. Oktober 1991 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 1993 zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Renteneinnahmen von 1.609 DM niedriger festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bleibt bei seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung, es liege im Streitfall eine abgekürzte Leibrente vor, deren Ertragsanteil sich nach der voraussichtlichen Gesamtlaufzeit – hier bis zum 26. März 2015 – richte.
Nach einer Auskunft der Versicherung vom 9. September 1996 wird dem Kläger bis zum 1. März 1997 die Berufsunfähigkeitsrente gewährt. Eine Verlängerung sei von einer erneuten ärztlichen Prüfung abhängig. Bereits in einer Bescheinigung vom 3. April 1989 hatte die Versicherung die Laufzeit bis zum 28. Februar 1990 bestätigt und die Verlängerung von einer Untersuchung abhängig gemacht.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtswidrig. Die Kläger werden durch ihn in ihren Rechten verletzt, da das FA den Ertragsanteil der Rente unzutreffend mit 39 v.H. der Besteuerung zugrunde gelegt hat.
Die vom Kläger bezogene Berufsunfähigkeitsrente ist eine Leibrente i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der „Ertrag des Rentenrechts (Ertragsanteil)” sind die Einkünfte, die erzielt werden durch zeitlich gestreckte Auszahlung eines verzinslichen Kapitals während der Lebenszeit einer Bezugsperson (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 29. Juli 1986 IX R 206/84, BFHE 147, 176, 178, BStBl II 1986, 747, 749). Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ist es nicht möglich, die aufgrund des maßgeblichen Versicherungsfalles berufsorientiert bemessene Versicherungsleistung in mehrere, zu verschiedenen Zeiten – d.h. mit unterschiedlichem „Beginn” und mit jeweils unterschiedlicher „Laufzeit” – (rück-)zahlbare „Rentenrechte” zu zerlegen.
1. Zum Beginn der Rente
Die „Rente auf Zeit” ist lediglich ein besonderes verwaltungstechnisches Instrument zur zeitlich begrenzten Regelung eines mutmaßlich sich ändernden Sachverhalts. Die wiederholte Bewilligung einer Rente auf Zeit wegen desselben Versicherungsfalles korrigiert die nach den Versicherungsbedingungen zu treffende Prognoseentscheidung; sie bewirkt aber nicht den Beginn einer neuen Rente, da ein neuer Versicherungsfall nicht vorliegt. Für den „Beginn der Rente” kommt es also nicht darauf an, wann die Rente bewilligt gezahlt wird (BFH-Urteile vom 26. August 1975 VIII R 93/80, BFHE 116, 547, BStBl II 1975, 884, mit weiteren Nachweisen) oder ob einzelne Rentenansprüche z.B. wegen Verjährung (BFH-Urteil vom 30. September 1980 VIII R 13/79, BFHE 132, 26, BStBl II 1981, 155) oder wegen verspäteter Antragstellung nicht gezahlt werden. Beginn der Rente ist im Streitfall demnach der Eintritt des Versicherungsfalls.
2. Zur Bemessung des Ertragsanteils
Die Besteuerung der hier vorliegenden Berufsunfähigkeitsrente als abgekürzte Leibrente ist nicht von einer Mindestdauer des Rentenbezugs abhängig. Bei zeitlicher Aufeinanderfolge mehrerer Renten auf Zeit ist – bei gleichbleibendem Rentenbeginn – die voraussichtliche Laufdauer der Rente unter Be...