Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgreiche Anfechtung des Vaterschaftsanerkenntnisses als Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit. Kein Abzug der erbrachten Unterhaltsleistungen vom Scheinvater als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die nach Anfechtung eines Vaterschaftsanerkenntnisses durch Urteil getroffene Feststellung, daß ein Steuerpflichtiger nicht Vater des Kindes ist, ist ein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit und berechtigt das Finanzamt, gem. § 175 Abs.1 Nr.2 AO bestandskräftige Steuerbescheide zu ändern und zunächst gewährte Kinderfreibeträge wieder zu versagen.
2. Ein Abzug der vom Scheinvater geleisteten Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG kommt wegen der abschließenden (§ 33a Abs.5 EStG) Regelung der Abzugsfähigkeit von Unterhaltszahlungen in § 33a EStG nicht in Betracht.
Normenkette
AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 1; EStG §§ 33, 33a
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (das beklagte Finanzamt – FA –) die Einkommensteuerbescheide 1987 bis 1989 dahingehend ändern durfte, daß es den für das Kind K. gewährten Kinderfreibetrag nicht mehr berücksichtigte und ob es für das Streitjahr 1990 zu Recht von vornherein einen Freibetrag für dieses Kind nicht mehr gewährte, nachdem ihm bekannt geworden war, daß der Kläger sein Vaterschaftsanerkenntnis wirksam angefochten hatte.
Der Kläger hatte für das im Oktober 1979 geborene Kind K., das seit seiner Geburt in Haushaltsgemeinschaft mit seiner Mutter lebte, mit öffentlicher Urkunde vom 22. 9. 1980 seine Vaterschaft anerkannt. Noch vor den Streitjahren focht er dieses Vaterschaftsanerkenntnis an. Mit Urteil des Amtsgerichts S. vom 4. April 1990 wurde rechtskräftig festgestellt, daß der Kläger nicht der Vater des Kindes ist. Hiervon erfuhr das FA mit Schreiben des Klägers vom 9. 9. 1991.
Während der Dauer des Anfechtungsprozesses leistete der Kläger für das Kind K. Unterhalt, und zwar 1987 und 1988 je 3.600,00 DM, 1989 5.280,00 DM und 1990 für das erste Jahresdrittel noch 1.760,00 DM.
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1987 bis 1990 gab er an, leiblicher Vater des Kindes zu sein und auch seinen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem Kind nachgekommen zu sein. Das FA gewährte deshalb – neben Kinderfreibeträgen für weitere Kinder des Klägers bzw. der Klägerin bzw. beider – für 1987 den halben Kinderfreibetrag (1.242,00 DM) und für 1988 und 1989 jeweils den vollen Kinderfreibetrag (2.484,00 DM), da die Mutter für diese beiden Jahre der Übertragung des Kinderfreibetrages auf den Kläger gemäß § 32 Abs. 6 Satz 4 EStG zugestimmt hatte. Da dem FA bei der Durchführung der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1990 (Einkommensteuerbescheid vom 18. 11. 1991) bereits bekannt war, daß der Kläger die Vaterschaft erfolgreich angefochten hatte, gewährte es für dieses Jahr keinen Kinderfreibetrag mehr.
Außerdem erließ es im November 1991 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1987 bis 1989, in denen es nunmehr die für das Kind K. gewährten Kinderfreibeträge nicht mehr berücksichtigte.
Die Kläger legten hiergegen Einsprüche ein, die sie damit begründeten, der Kläger habe bis zum erfolgreichen Abschluß des Anfechtungsprozesses als leiblicher Vater gegolten und sei bis dahin auch seiner gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind nachgekommen, so daß ihm die Kinderfreibeträge zustünden. Eine Rückforderung des gezahlten Unterhalts komme wegen Vermögenslosigkeit des Kindes nicht in Betracht.
Die Einsprüche blieben ohne Erfolg.
Die Kläger vertreten in ihrer Klage die Auffassung, ihnen stünden die Kinderfreibeträge zu. Der rückwirkende Wegfall des Kindschaftsverhältnisses könne nicht zwangsläufig dazu führen, keine Kinderfreibeträge mehr anzusetzen, nachdem der Kläger schließlich seiner Unterhaltspflicht nachgekommen sei. Nach der Bescheinigung des Landratsamts L. vom 13. 7. 1992 (Einzelheiten Bl. 25 Gerichtsakte), welches die Amtspflegschaft für das Kind gehabt habe, seien die entrichteten Unterhaltsleistungen an die Mutter des Kindes ausbezahlt und für dessen Unterhalt verbraucht worden und eine Rückerstattung deshalb nicht möglich. Da das Steuerrecht an tatsächliche Geschehensabläufe anknüpfe, dürfe sich an dem Besteuerungstatbestand nichts ändern, wenn die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis bestehen ließen oder wie im Streitfall gar nicht die Möglichkeit hatten, es wieder rückgängig zu machen.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteueränderungsbescheide 1987 bis 1989 aufzuheben und für das Jahr 1990 den hälftigen Kinderfreibetrag von 1.242,00 DM zu gewähren.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA hält an seiner Entscheidung fest. Die bestandskräftigen Veranlagungen für 1987 bis 1989 hätten gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 (Abgabenordnung) AO geändert werden dürfen, da die erfolgreiche Anfechtung des Vaterschaftsanerkenntnisses nach bürgerlichem Recht zurückwirke und die Feststellung, daß der Kläger nicht Vater des Kindes sei, damit ein Ereignis mit steuerlicher Wirkung...