Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer 1987
Leitsatz (redaktionell)
Soweit ein Kontokorrentkredit von einem Schuldner noch nicht in Anspruch genommen worden ist, kann eine Bank weder wegen einer Ungewissen Verbindlichkeit noch wegen eines drohenden Verlustes aus einem schwebenden Geschäft eine Rückstellung bilden.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist die Bildung einer Rückstellung im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses.
Die Klägerin ist eine Kreditanstalt des öffentlichen Rechts. Sie erteilte der Firma R. GmbH & Co. KG (R.), ein Textilunternehmen in N., mit Schreiben vom 6. Mai 1980 eine Kontokorrentkreditzusage in Höhe von 1 Mio. DM. Ferner bestand mit der Firma S. Technik GmbH (S.) in S. aufgrund einer Vereinbarung vom 5. August 1987 eine Kreditzusage in Höhe von 3,2 Mio. DM. Die Kredite waren beiderseits jederzeit fristlos kündbar. Wegen des Wortlautes der Kreditvereinbarungen wird auf Bl. 16, 17 der Rechtsbehelfsakte sowie Bl. 43 bis 45 der Finanzgerichtsakte Bezug genommen. An dem Risiko des der S. erteilten Kredites war die Norddeutsche Landesbank (NordLB) mit 50 v.H. beteiligt.
Die Inanspruchnahme der Kontokorrentkredite stellte sich zum Bilanzstichtag 31. Dezember 1987 bzw. bei Aufstellung der Bilanz der Klägerin wie folgt dar:
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Kreditengagement S. |
Kreditengagement R. |
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31.12.1987 |
31.03.1988 |
31.12.1987 |
31.03.1988 |
Kontokorrentkreditzusage |
3.200.000 |
3.200.000 |
1.000.000 |
1.000.000 |
Inanspruchnahme |
2.559.600 |
2.703.300 |
565.700 |
185.200 |
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640.400 |
496.700 |
434.300 |
814.800 |
./. Anteil NordLB (50 %) |
320.200 |
248.350 |
- |
- |
offene Kreditlinie |
320.200 |
248.350 |
434.300 |
814.800 |
Die höchste Inanspruchnahme des Kontokorrentkredites durch S. betrug im Dezember 1987 2.972.700 DM und im März 1988 2.977.500 DM; die Inanspruchnahme des Kredites durch R. erreichte im Dezember 1987 1.280.000 DM und im März 1988 1.066.500 DM.
Die Klägerin bildete in ihrer Handels- und Steuerbilanz zum 31. Dezember 1987 wegen der offenen Kreditlinien aus den Vereinbarungen mit der R. und der S. in Höhe von 434.300 DM bzw. 320.200 DM mit der Begründung einer Rückstellung, die Kontokorrentkredite seien im Falle ihrer Inanspruchnahme ausfallgefährdet. Die Klägerin hatte aus anderen der R. und der S. gewährten Krediten zum 31. Dezember 1987 Einzelwertberichtigungen in Höhe von 595.000 DM bzw. 2.404.000 DM vorgenommen; diese Einzelwertberichtigungen sind zwischen den Beteiligten unstreitig.
Das Finanzamt (FA) erteilte zunächst für 1987 einen Körperschaftsteuerbescheid, dem es die von der Klägerin abgegebene Körperschaftsteuererklärung und Bilanz zugrunde legte; der Bescheid erging gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
In der Zeit vom 18. Oktober 1988 bis 2. Oktober 1990 führte das FA bei der Klägerin u.a. für den Veranlagungszeitraum 1987 eine Außenprüfung durch. Der Außenprüfer gelangte zu der Auffassung, daß die Bildung von Rückstellungen im Rahmen der Kontokorrentkreditzusagen als Dauerschuldverhältnis nicht zulässig sei, weil sich Leistung und Gegenleistung ausgewogen gegenüberstünden. Das FA erteilte am 26. März 1991 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Körperschaftsteuerbescheid, dem des die Auffassung des Außenprüfers zugrunde legte.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage, zu deren Begründung die Klägerin vorträgt, es sei die Bildung von Rückstellungen wegen drohender Verluste aus beiden schwebenden Geschäften geboten. Entgegen der Auffassung des FA fehle es an der Ausgewogenheit der Kontokorrentverhältnisse. Es sei von einem Verpflichtungsüberschuß auf Seiten der Darlehensgeber in auszugehen.
Die mangelnde Ausgewogenheit der Kreditverhältnisse folge bereits daraus, daß gegenüber beiden Kreditnehmern Einzelwertberichtigungen hätten vorgenommen werden müssen.
Sie, die Klägerin, habe das Kontokorrentverhältnis auch nicht durch eine fristlose Kündigung beenden können, um sich der Inanspruchnahme durch die Kontokorrentkreditnehmer zu entziehen, selbst wenn die fristlose Kündigung in den Verträgen vereinbart gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) habe ein Kreditinstitut selbst in Verlustsituationen lediglich das Recht, ein Kreditverhältnis zu kündigen, wenn es dem Kreditnehmer für die Rückzahlung eine angemessene Frist gewährt habe, innerhalb derer dieser sich um eine andere Bankverbindung oder sonstige Lösung bemühen könne. Das Sperren eines Kontos bzw. die Nichteinlösung von Schecks, die der Kreditnehmer im berechtigten Vertrauen auf den zugesagten Kredit bereits ausgestellt und in Verkehr gebracht habe, sei nicht zulässig. In diesem Zusammenhang sei hervorzuheben, daß insbesondere die R. derartige sogenannte Postlaufkredite aus Wechseln in einer Größenordnung von 1,8 Mio. DM in Anspruch genommen habe.
Da die Kontokorrentkreditverhältnisse zum 31. Dezember 1987 nicht gekündigt gewesen seien ...