Entscheidungsstichwort (Thema)
Tatsächliche Verständigung: Belehrungspflicht des FA?
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen für eine tatsächliche Verständigung.
- Unwirksam ist eine tatsächliche Verständigung nur, wenn sie zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt. Das kann der Fall sein, wenn es auf einem schweren Überlegungs- oder Systemfehler beruht oder wenn das Ergebnis eindeutig von dem abweicht, was mit der Verständigungsvereinbarung von allen Beteiligten gewollt war.
- Es ist bei einer tatsächlichen Verständigung nicht erforderlich, dass das FA den Stpfl. über die Höhe der steuerlichen Auswirkungen belehrt.
Normenkette
BGB § 242; AO §§ 201, 162
Streitjahr(e)
2010, 2011, 2012
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide für drei Jahre, denen eine nach Durchführung der Betriebsprüfung geschlossene tatsächliche Verständigung zu Grunde liegt.
Der Kläger betreibt seit März 2010 eine Bar. Er erzielt hier Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Daneben erzielt er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Es wurden folgende Umsätze/Ergebnisse erklärt:
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2010 |
2011 |
2012 |
Umsätze |
3 T€ |
4 T € |
9 T€ |
Wareneinsatz |
3 T€ |
4 T € |
5 T€ |
Ergebnisse |
-19 T€ |
-18 T€ |
-13 T€ |
2013 wurde durch das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen wegen des Verdachts von Steuerstraftaten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Vertreter im Steuerstrafverfahren war Herr Rechtsanwalt. Parallel führte das Finanzamt beim Kläger eine Außenprüfung durch und stellte diverse Aufzeichnungsmängel fest.
Der Kläger habe keine Registrierkasse/PC-Kasse gehabt, sondern eine sogenannte offene Ladenkasse. Dies erfordere das Erstellen von täglichen Kassenberichten. Soweit eine Software verwendet werde, müssten nachträgliche Änderungen unmöglich bzw. durch Vermerk ersichtlich sein. Am Ende des Tages sei der Geldbestand auszuzählen. Tägliche Kassenberichte seien nicht erstellt worden. Originäre Ursprungsaufzeichnungen in Form von Bestell – und Notizzettel wurden nicht aufbewahrt. Die Einnahmen wurden auf Notizzetteln geführt, sind quasi Loseblatt. Ein Kassenbuch wurde erst ab Juni 2010 geführt, erste Einnahmen wurden im März 2010 erklärt. Mangels täglicher Kassenauszählungen war ein Abgleich von Ist– und Sollbestand der Kasse nicht möglich.
Für die Jahre 2010 und 2011 wurden Nachkalkulationen durchgeführt. Daraus ergaben sich folgende Hinzuschätzungen:
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2010 |
2011 |
2012 |
Hinzuschätzungen Betriebseinnahmen (netto) |
25 T€ |
15 T€ |
15 T€ |
Vereinnahmte Umsatzsteuer |
4 T€ |
2 T€ |
2 T€ |
Änderung Einnahmenüberschuss/Gewinn |
29 T€ |
17 T€ |
17 T€ |
Die tatsächlichen Umsätze und Erlöse konnten aufgrund von formellen Aufzeichnungsmängeln und fehlenden Ursprungsaufzeichnungen nicht genau ermittelt werden. Die Kalkulation 2010 führte zu einem Rohgewinnaufschlagsatz von 463,68 v.H., damit zu einem kalkulatorischen Umsatz von 29 T€. Die Kalkulation 2011 führte zu einem Rohgewinnaufschlagsatz von 486,85 v.H. und damit zu einem kalkulatorischen Umsatz von 21 T€. Die Werte 2011 wurden auf 2012 übertragen. Im Vergleich zu den gekauften Trinkhalmen wurden deutlich zu niedrige Einnahmen erklärt. Im Rahmen einer vereinfachten Geldverkehrsrechnung wurden Fehlbeträge in geringer Höhe festgestellt. Im Jahr 2011 wurden Bargeldeinzahlungen in Höhe von 42 T€ festgestellt. Durch einen Grundstücksverkauf 2011 im Ausland standen dem Kläger ca. 31 T€ zur Verfügung. Diese Mittel seien in kleinen Stückelungen bar nach Deutschland mitgebracht worden. Weiterhin habe er eine Schenkung über 20 T€ vom Vater erhalten. Von seinem Bruder habe der Kläger ein Darlehen von 8 T€ erhalten.
Die Prüfungsfeststellungen wurden dem Vertreter des Klägers mitgeteilt.
Es wurde vom Kläger wie folgt argumentiert: In den ersten Monaten wurden Gutscheine für Freigetränke ausgeteilt. Bei Geburtstagen oder ähnlichen Feiern sei ein Rabatt von 10 % gewährt worden. Zwischen 17:00 Uhr und 19:00 Uhr wurden im Rahmen einer Happy hour alle Cocktails für X € angeboten. Cocktails für außerhalb wurden für A1 € angeboten, 1 l Getränke für pauschal Z €. Es wurde ein Freischnaps bei Bezahlung ausgeschenkt. Teilweise sei bei Getränken das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen. Diese Getränke mussten dann entsorgt werden.
Bei einer Besprechung wurde im Beisein des Klägers, seines Anwaltes, der Sachgebietsleiterin der Außenprüfung sowie in Anwesenheit des Betriebsprüfers, eines Finanzanwärters, des Sachbearbeiters vom FAFuSt sowie der damaligen Lebensgefährtin des Klägers eine tatsächliche Verständigung getroffen.
Ein Protokoll über den Verlauf der tatsächlichen Verständigung wurde nicht erstellt. Hinsichtlich des Inhalts der tatsächlichen Verständigung wird auf die GA verwiesen. Es ist u.a. folgende Tabelle enthalten:
„Im Bereich der Umsätze und Erlöse sind die folgenden hinzu Schätzungen vorzunehmen:
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2010 |
2011 |
2012 |
Erhöhung Umsätze/Erlöse (netto) |
15.000,00 € |
10.000,00 € |
10.000,00 € |
Umsatzsteuer |
2.850,00 € |
1.900,00 € |
1.900,00 € |
Erhöhung Betriebseinnahmen (brutto) |
17.850,00 € |
11.90... |