vorläufig nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme einer Rechnungsverfügung durch Abrechnungsbescheid
Leitsatz (redaktionell)
- Vorauszahlungen eines Ehegatten aufgrund eines an beide Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheides dienen der Tilgung der zu erwartenden Steuerschulden beider Ehegatten und zwar unabhängig davon, ob die diese später zusammen oder getrennt veranlagt werden.
- Sie sind daher zunächst auf die festgesetzten Steuern beider Ehegatten anzurechnen. Erst ein verbliebener Rest ist nach Kopfzahlen an die Ehegatten auszukehren.
- Liegen die Voraussetzungen nach §§ 130, 131 AO vor, kann im Rahmen eines Abrechnungsbescheides die Änderung einer Anrechnungsverfügung erfolgen.
Normenkette
AO § 130 Abs. 2 Nrn. 3-4, § 218 Abs. 2
Streitjahr(e)
2009, 2011
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer und Nebenabgaben 2009 rechtmäßig ist.
Die Klägerin hat die polnische Staatsangehörigkeit und war im Streitjahr 2009 mit Herrn X verheiratet. Sie war im Streitjahr beim Ehemann, der als Kardiologe selbständig tätig war, beschäftigt. Hieraus erzielte sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Umfang von 4.500 EUR. Seit dem 31. Januar 2008 lebten die Eheleute dauernd getrennt. Dies war dem Beklagten seit dem 29. November 2010 (=Zeitpunkt der Abgabe der Einkommensteuererklärung 2009 des Ehemannes) bekannt. Die Klägerin erhielt nach der Trennung im Jahr 2009 Unterhaltsleistungen vom Ehemann in Höhe von 13.805 EUR.
Im Jahr 2010 wurde die Ehe geschieden.
Der Ehemann leistete im Streitjahr 2009 Einkommensteuervorauszahlungen im Umfang von 73.043,00 EUR. Der Vorauszahlungsbescheid für Einkommensteuer vom 1. Oktober 2009 war noch an die Eheleute gerichtet.
Am 29. November 2010 reichte der Ehemann die Einkommensteuererklärung 2009 beim Beklagten ein. Nach der Erklärung erzielte er als Kardiologe im Streitjahr Einkünfte in Höhe von 277.676,00 EUR.
Am 3. Februar 2011 richtete der Beklagte ein Schreiben an Klägerin mit folgendem Inhalt:
„Einkommensteuerveranlagungen - Vorauszahlungen
Sehr geehrte Frau A,
nach den hier gespeicherten Daten sind für ihre Einkommensteuer 2009 ff noch unter der Zusammenveranlagung für Sie als Ehegatten Vorauszahlungen festgesetzt worden.
Aufgrund der Trennung sind diese auf die einzelnen Personen aufzuteilen. Es ist beabsichtigt, dies zu 100 % (nicht die Kirchensteuer, da Ehemann ohne Religion) Herrn X zuzuordnen. Ich bitte um eventuelle Stellungnahme innerhalb von 3 Wochen. Ansonsten gehe ich davon aus, dass Sie einverstanden sind.
Mit freundlichen Gruß”
Am 8. Februar 2011 antwortete die Klägerin. Dieses Schreiben hatte folgenden Wortlaut:
„Sehr geehrte Frau L,
ich danke Ihnen für Information betreffend Einkommensteuer 2009.
Seit 2009 mein Mann, X, und ich lebten getrennt, in 2010 wurde Scheidung ausgesprochen.
In Gütertrennung bekam ich das Haus und nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1.500,00 EUR im Monat. Das erlaubt mir mein Leben zu sichern. Außerdem habe ich keine Ersparnisse, auf die ich greifen könnte im Fall der Hausreparatur oder sonstigen Unglücks.
Wäre mit Einkommensteuer 2009 Vorauszahlung auf plus Vergütung zu rechnen, bitte ich sie auf einzelnen Personen aufzuteilen, damit ich Erstattung bekomme.
A”
Auf dem Schreiben wurde von einem/einer Mitarbeiter/in des Beklagten vermerkt: „=≫ Damit 50:50 notwendig”.
Die Klägerin reichte am 18. August 2011 ihre Einkommensteuererklärung 2009 beim Beklagten ein. Die Einkommensteuererklärung war von der Y Steuerberatungsgesellschaft, die auch die Steuererklärungen des Ehemannes fertiggestellt hatte, vorbereitet worden.
Am 29. September 2011 erließ der Beklagte zwei Einkommensteuerbescheide. Im Bescheid des Ehemannes wurden die gezahlten Vorauszahlungen in Höhe von 33.802,00 EUR Einkommensteuer und 1.789,50 EUR Solidaritätszuschlag (=50% der Vorauszahlungen ohne Berücksichtigung der Kirchensteuer) angerechnet. Im Bescheid der Klägerin, ebenfalls vom 29. September 2011, wurden auch Vorauszahlungen in Höhe von 33.802,00 EUR Einkommensteuer, 1.860,00 EUR Kirchensteuer und 1.789,50 EUR Solidaritätszuschlag angerechnet. Gegen den Einkommensteuerbescheid des Ehemannes, mit dem nach dem Anrechnungsteil noch 64.613,00 EUR zu zahlen waren, legte der Ehemann Einspruch ein, mit dem er eine Anrechnung der geleisteten Vorauszahlungen im vollen Umfang begehrte. Hilfsweise beantragte er einen Abrechnungsbescheid. Er trug im Einspruchsverfahren vor, er habe die Vorauszahlungen für 2009 selbst gezahlt. Angerechnet seien nur 50 %. Diese Vorauszahlungen seien daher zu 100 % ihm anzusetzen.
Der Beklagte legte den Einspruch als Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) aus und erließ am 7. November 2011 jeweils einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO an den Ehemann und an die Klägerin, in denen nunmehr die gesamten Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer 2009 dem Ehemann zugerechnet wurden.
Gegen diesen Abrechnungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Sie trägt vor,...