Entscheidungsstichwort (Thema)
Die Rechtmäßigkeit eines Rückforderungsbescheids betr. Kindergeld wird nicht durch den (möglichen) Erlass des Rückforderungsbetrages berührt; Kindergeld; Rückforderungsbescheid; Erlass; Billigkeitsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
- Der Umstand, ob ein Rückforderungsbetrag betr. Kindergeld zu erlassen ist, berührt die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheides nicht.
- Über einen Erlass ist allein in einem von der Festsetzung und Rückforderung getrennten Verfahren zu entscheiden.
- Mit § 227 AO hat der Gesetzgeber zwar ein gesondertes Billigkeitsverfahren geschaffen, das aber seine Eigenständigkeit bewahrt. Dafür spricht auch, dass ein Erlass gem. § 227 AO eine der gerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Maße zugängliche Ermessensentscheidung ist.
Normenkette
AO §§ 227, 37 Abs. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Kindergeld-Rückforderungsbescheids.
Der Kläger beantragte im April 1994 für seine drei Kinder Kindergeld. Seine Ehefrau erklärte sich in dem Antrag damit einverstanden, dass das Kindergeld an den Ehemann/Kläger gezahlt werde. Der Beklagte (Arbeitsamt – Familienkasse -) zahlte das Geld antragsgemäß auf das im Antrag bezeichnete Bankkonto. Bei dem Konto handelte es sich um ein solches der Ehefrau, über das sie auch nur allein verfügungsbefugt war. Dies war aus dem Antrag weder ersichtlich noch der Familienkasse bekannt.
Nachdem die Familienkasse erfahren hatte, dass sich die Kinder seit Februar 1996 im Haushalt der getrennt lebenden Ehefrau aufhielten, hob sie die Kindergeldfestsetzung mit einem als Rückforderungsbescheid bezeichneten Verwaltungsakt vom 29. Mai 1997 ab März 1996 bis April 1997 auf und forderte das Kindergeld für diese Monate (insgesamt 9.220 DM) vom Kläger zurück.
Auf den Antrag der Kindesmutter hin zahlte die Familienkasse dieser nachträglich Kindergeld ab dem Monat Juli 1996. Bei der Zahlung war der Familienkasse (nunmehr) bekannt, dass die Gelder auch zuvor auf ein Konto der Ehefrau und nicht auf ein solches des Klägers geflossen waren.
Der Einspruch des Klägers gegen den Rückforderungsbescheid blieb erfolglos.
Der Kläger stützt seine Klage im Wesentlichen auf die Tatsache, dass tatsächlich nicht er, sondern von Anfang an seine Ehefrau das Kindergeld bekommen hat. Dies sei – wie die Ehefrau selbst bestätigt habe – der Familienkasse seit April 1997 auch bekannt gewesen. Der Rückforderungsbescheid sei unter diesen Umständen rechtswidrig.
Der Kläger beantragt,
die Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 1997 und den Rückforderungsbescheid vom 29. Mai 1997 aufzuheben.
Die Familienkasse beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit der Trennung des Klägers von der Familie seit Februar 1996 sei die Ehefrau gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) vorrangig anspruchsberechtigt geworden. Nach Bekanntwerden dieser Umstände habe die Verpflichtung bestanden, die Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG aufzuheben. Das überzahlte Kindergeld habe man zurückfordern müssen. Der Umstand, dass das Kindergeld stets auf das alleinige Konto der Ehefrau gezahlt worden sei, sei im Verhältnis zu ihr – der Familienkasse – rechtlich unerheblich und berühre die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheides nicht. Der Kläger könne aber für die Zeit vor Juli 1996 einen Antrag auf Erlass der Forderung stellen, da der Kindesmutter nach § 66 Abs. 3 EStG rückwirkend nur bis zu diesem Monat Kindergeld nachgezahlt worden sei. Es sei dann zu prüfen, ob der Rückforderungsbetrag zumindest für die Zeit bis Juni 1996 erlassen werden könne. Einen solchen Erlassantrag habe er aber bisher nicht gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Familienkasse hat die Kindergeldfestsetzung ab März 1996 nach § 70 Abs. 2 EStG zu Recht aufgehoben und das zuviel gezahlte Kindergeld gemäß § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zurückgefordert, weil die Kinder sich in dem fraglichen Zeitraum in der alleinigen Obhut der Mutter befanden, so dass diese nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG vorrangig kindergeldberechtigt war.
1. Aufhebung der Kindergeldfestsetzung
Nach § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Damit hat sich der Gesetzgeber zur Lösung der Anspruchskonkurrenz zwischen Vater und Mutter für das sogenannte Obhutsprinzip entschieden. Das Obhutsprinzip verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikels 3 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG – (Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 10. November 1998 VI B 125/98, BStBl. II 1999, 137).
Im Streitfall hatte der Kläger damit nach seiner Trennung von der Familie keinen Anspruch mehr auf die Zahlung des Kindergeldes (an ihn), da sich die Kinder seit dieser Zeit in der alleinigen Obhut der Mutter befanden. Damit war die Kindesmutter zugleich die nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG ausschließlich Kindergeldberechtigte (geworden).
Die Familienkasse durfte die Kin...