Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzinsung von Steuererstattungsansprüchen
Leitsatz (redaktionell)
- Mit der wirksamen Abtretung eines Anspruchs auf Erstattung überzahlter Steuern erlangt der Zessionar gegen das FA nur den reinen Zahlungsanspruch, nicht aber die gesamte Rechtsstellung des bisherigen Gläubigers.
- Er erlangt insbesondere nicht die Berechtigung an evtl. später zustehenden Erstattungszinsen.
Normenkette
AO § 233a
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verzinsung von Steuererstattungsansprüchen.
Der Kläger und seine Ehefrau waren Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden: GmbH), deren Anteile sie im Juni 1989 veräußerten. Der Kaufvertrag sah vor, dass den Verkäufern einerseits Steuern für die Zeit bis zum 31. Mai 1989 zur Last fallen und ihnen andererseits die entsprechenden Erträge zustehen sollten. Infolge einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Mai 1994 reichte die GmbH eine berichtigte Umsatzsteuererklärung ein, die zu Steuererstattungen für die Jahre 1986 bis 1989 in Höhe von insgesamt 391.471.45 DM führte.
Die GmbH trat die Steuererstattungsansprüche an den Kläger ab und zeigte dem Beklagten dies am 27. April 1994 auf Abtretungsanzeigen nach amtlichem Vordruck an. Als Grund der Abtretung wurde angegeben:
„Abtretung zahlungshalber: Zahlungen an früheren Anteilseigner infolge EuGH-Urt. v. 5.5.1994”.
In einer „Anlage zur Abtretungsanzeige” wurde die Höhe der einzelnen, auf die Jahre 1985 bis 1989 entfallenden, Umsatzsteuererstattungsansprüche aufgelistet. Etwaige Zinsansprüche wurden nicht aufgeführt.
Der Beklagte änderte die Umsatzsteuerveranlagungen für die Jahre 1986 bis 1989 mit Bescheiden vom 17. bzw. 31. Januar 1996. Für den auf das Jahr 1989 entfallenden Erstattungsanspruch setzte der Beklagte mit Bescheid vom 17. Januar 1996 darüber hinaus zugunsten der GmbH Zinsen für den Zeitraum 1. April 1991 bis 31. März 1995 in Höhe von 13.896 DM fest.
Eine Auszahlung der Umsatzsteuer an den Kläger lehnte der Beklagte u. a. mit der Begründung ab, die Abtretung der Erstattungsansprüche sei unwirksam gewesen, weil von einem unzulässigen geschäftsmäßigen Erwerb durch den Kläger auszugehen sei. Gleichzeitig verrechnete er die Umsatzsteuererstattungsbeträge – auf Antrag der GmbH – mit Steuerschulden der GmbH oder buchte sie auf sog. „Schwestergesellschaften” um.
Nach erfolglosem Vorverfahren erhob der Kläger am 18. Juli 1996 bei dem Niedersächsischen Finanzgericht Klage, bekam aber erst im zweiten Rechtsgang mit Urteil vom 25. Januar 2007 (5 K 158/02) Recht. Die Auszahlung der Steuererstattungen erfolgte am 9. März 2007.
Nach Abschluss des Klageverfahrens machte der Kläger gegenüber dem Beklagten eine 6%ige Verzinsung der einzelnen Steuererstattungsansprüche – beginnend nach 15 Monaten ihres jeweiligen Entstehens bis zum 9. März 2007 – geltend. Der Beklagte wies diesen Antrag zurück, da die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verzinsung nach §§ 233a und 236 der Abgabenordnung (im Folgenden: AO) nicht vorlägen.
Nach erfolglosem Vorverfahren hat der Kläger am 26. Juni 2008 Klage erhoben.
Er ist der Auffassung, der ihm zu Unrecht nicht ausgezahlten Steuererstattungsanspruch sei zu verzinsen. Ein Anspruch auf Verzinsung ergebe sich aus einer erweiterten Auslegung des § 233a AO. Dabei müsse das gesetzgeberische Ziel einer Vollverzinsung von Steuerforderungen und Steuererstattungen berücksichtigt werden, mit der die Zinsvorteile und -nachteile ausgeglichen werden sollen, die dadurch entstehen können, dass die Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zur Steuer herangezogen werden.
Als rechtliche Grundlage für eine Verzinsung komme auch ein Folgebeseitigungs- oder Schadensersatzanspruch in Betracht.
Sollte sich rechtlich keine Verzinsung des Steueranspruchs herleiten lassen, müsse die Übereinstimmung der rechtlichen Situation mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen überprüft werden.
Auch europarechtlich sei eine fehlende Verzinsung des Umsatzsteuererstattungsanspruchs bedenklich, weil hierdurch die Umsatzbesteuerung unzutreffend erschwert werde und ein Verstoß gegen den sog. Effektivitätsgrundsatz vorliege.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 210.789,38 € nebst 6% Zinsen p. a. ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
hilfsweise den Beklagten zu verurteilten, einen entsprechenden Abrechnungsbescheid zu erstellen und erlassen, aufgrund dessen dem Kläger 210.789,38 € nebst 6% Zinsen p. a. ab Rechtshängigkeit zu bezahlen sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Meinung, dass sich aus den gesetzlichen Vorschriften kein Anspruch des Klägers auf Verzinsung seiner Steuererstattung ergebe. Eine Verzinsung sei nur für Ansprüche im Steuerfestsetzungsverfahren, nicht aber – wie im Streitfall – im Erhebungsverfahren vorgesehen. Die Erstattungs- und ggf. Zinsberechtigung stehe außerdem nicht dem Kläger, sondern seiner GmbH als Zedentin des abgetretenen Erstattungsanspruchs zu.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Klage ist unbegrü...