rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung eines Kindergeldanspruchs bei einer die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beinhaltenden Aufenthaltserlaubnis
Leitsatz (redaktionell)
- Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, haben einen Anspruch auf Kindergeld.
- Als „Erwerbstätigkeit” gilt sowohl die selbstständige als auch die nichtselbstständige Tätigkeit.
- Es ist nicht erforderlich, dass der Ausländer auch tatsächlich erwerbstätig war oder Lohnersatzleistungen bezogen hat.
- Zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt ist der Ausländer auch dann, wenn ihm die Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit untersagt ist.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 2 Nr. 3c, Abs. 2; AufenthG §§ 16-17, 18 Abs. 2
Streitjahr(e)
2004, 2005
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob der ausländerrechtliche Status der Klägerin die Gewährung von Kindergeld ermöglicht.
Die 1977 in Beirut geborene Klägerin hält sich zumindest seit 1999 in Deutschland auf. Ihre Staatsangehörigkeit ist ungeklärt. Sie ist Mutter der drei 1995, 1995 und 1999 geborenen Söhne O, Be und Ba sowie der am 27. April 2005 geborenen Tochter A. Nach den vorliegenden Aufenthaltsbescheinigungen des Landkreises O verfügte die Klägerin zunächst über eine befristete Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Ausländergesetz (AuslG; Bescheinigung vom 7. Januar 2004, befristet bis 31. Dezember 2005) und ab 2005 über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG; Bescheinigung vom 25. Mai 2005, befristet bis 31. Dezember 2005). Die Aufenthaltsbescheinigungen enthalten jeweils die Nebenbestimmung: „selbständige Erwerbstätigkeit oder vergleichbare unselbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet”. Außerdem hat die Klägerin ihren Wohnsitz im Landkreis O beizubehalten. Der Landkreis O hat bestätigt, dass die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin nicht auf einem Krieg in ihrem Heimatland, sondern auf einer Bleiberechtsregelung des Niedersächsischen Innenministers gründe. Untersagt seien aufgrund der Nebenbestimmung des Aufenthaltstitels neben einer selbständigen Berufstätigkeit nur solche nichtselbständigen Tätigkeiten, die wegen ihres faktischen oder wirtschaftlichen Einflusses mit einer selbständigen Berufstätigkeit vergleichbar seien.
Erwerbstätig oder in Elternzeit war die Klägerin in den Jahren 2004 und 2005 nicht; sie hat auch keine Lohnersatzleistungen bezogen.
Kindergeldanträge hat der Beklagte mehrfach durch bestandskräftige Bescheide abgelehnt, zuletzt am 7. Mai 2004. Im Mai 2005 hat die Klägerin erneut Kindergeld beantragt. Gegen den Ablehnungsbescheid vom 9. Juni 2005 hat die Klägerin Einspruch eingelegt, den der Beklagte durch Einspruchsbescheid vom 25. August 2005 zurückgewiesen hat.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG neue Fassung (n.F.) vorliegen würden. Die Klägerin halte sich – wie der Landkreis bestätigt habe – nicht wegen Krieges in ihrem Heimatland in Deutschland auf. Insofern komme es nicht nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 c) i.V.m. Nr. 3 b) EStG darauf an, ob die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum erwerbstätig gewesen sei. Sie habe auch über eine Aufenthaltserlaubnis verfügt, die im Sinne von § 62 Abs. 2 Nr. 2 1. Halbsatz EStG zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt habe. Denn die Formulierung „selbständige Erwerbstätigkeit oder vergleichbare unselbständige Erwerbstätigkeit” schließe eine einfache unselbständige Erwerbstätigkeit nicht aus. Damit seien aber alle Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld erfüllt.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 9. Juni 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 25. August 2005 den Beklagten zu verpflichten, Kindergeld für die Kinder O, Ba, Be und A für den Zeitraum Juni 2004 bis Juli 2007 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte folgt der Klägerin insoweit in ihrer Rechtsauffassung, dass § 62 Abs. 2 Nr. 2 c) EStG nur jene Fälle betreffe, in denen ein Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz tatsächlich wegen eines Krieges im Heimatland erteilt worden ist, nicht hingegen andere Fälle des § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz. Allerdings verfüge die Klägerin nicht über eine Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige oder berechtigt habe. Der Begriff der Erwerbstätigkeit sei in § 2 Abs. 2 AufenthG definiert und umfasse die selbständige und nichtselbständige Tätigkeit. Daraus folgert der Beklagte, dass die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 2 1. Halbsatz EStG nur erfüllt seien, wenn dem Ausländer sowohl die nichtselbständige als auch die selbständige Berufstätigkeit gestattet sei. Hier aber habe die Klägerin nicht selbständig tätig werden dürfen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet.
I Die Klägerin hat einen Kindergeldanspruch für die Kinder O, Be und Ba für den Zeitraum Juni 2004 – August 2005 und für die während des streitbefangenen Zeitraums geborene Tochter A vom Monat der Geburt an (A...