rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abrechnungsbescheid über Zahlungsverjährung – Kompetenz des Finanzamts zum Erlass eines Abrechnungsbescheids in einem sog. Drei-Personen-Verhältnis bei Insolvenzanfechtung – Hemmung der Zahlungsverjährung nach § 230 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Anders als in einem Zwei-Personen-Verhältnis (bestehend aus den Insolvenzverwalter und dem Finanzamt) besteht für die Finanzbehörde in einem sog. Drei-Personen-Verhältnis bei Insolvenzanfechtung die Kompetenz zum Erlass eines Abrechnungsbescheids (Anschluss an Sächsisches FG-Urteil vom 10 September 2015 2 K 195/15).

2. § 144 Abs. 1 InsO findet auch für Erfüllungen im Dreiecksverhältnis Anwendung.

3. Eine anfechtbar getilgte Forderung lebt nach § 144 Abs. 1 InsO in der Form, wie sie bestand, wieder auf. Die Zahlungsverjährung nach § 230 AO ist bis zur Rechtskraft des Anfechtungsurteils gehemmt, da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als höhere Gewalt anzusehen ist.

 

Normenkette

InsO § 133 Abs. 1, § 144 Abs. 1; AO 1977 § 218 Abs. 2, § 230

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Forderungen aus Umsatzsteuerfestsetzungen für das 2. und 3. Quartal 2009, Oktober 2009 sowie den jeweils entstandenen Säumniszuschlägen im Zeitpunkt der Anspruchsgeltendmachung des Beklagten, des Finanzamts (FA), mit Schreiben vom 14. Juli 2015 nach § 228 AO zahlungsverjährt waren.

Der Kläger war Organträger der xxx GmbH und meldete in dieser Funktion die Umsatzsteuervoranmeldungen der Organschaft an. Die Umsatzsteuervorauszahlungen für das 2. und 3. Quartal 2009 sowie für Oktober 2009 wurden durch Steueranmeldung nach § 168 AO gegenüber dem Kläger als Organträger in Höhe von xxx €, xxx € und xxx € festgesetzt. Die Anmeldungen erfolgen hinsichtlich Umsatzsteuern für das 2. und 3. Quartal am 11. November 2009 und hinsichtlich Umsatzsteuer für Oktober 2009 am 25. November 2009. Die Zahlung der Steuerbeträge erfolgte auf Veranlassung des damaligen Geschäftsführers der xxx GmbH, dem Kläger, durch die xxx GmbH und zwar für das 2. Quartal 2009 per Scheck mit Wertstellungstrag vom 4. Januar 2010, für das 3. Quartal 2009 per Scheck mit Wertstellungstag vom 29. Januar 2010 und für Oktober 2009 durch Überweisung am 22. Dezember 2009.

Mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 1. März 2010 wurde für die Organgesellschaft ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und zugleich angeordnet, dass Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Am 1. April 2010 wurde über das Vermögen der xxx GmbH das Insolvenzverfahren beim Amtsgericht … eröffne.

Der Insolvenzverwalter der Organgesellschaft machte daraufhin mit Schreiben vom 9. September 2010 für die Umsatzsteuerbeträge der oben genannten Voranmeldungszeiträume die Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO geltend. Das Landgericht … verurteilte am 11. November 2014 das Land Niedersachsen, vertreten durch die Oberfinanzdirektion Niedersachsen, die angefochtenen Beträge in Höhe von 21.623,84 € zuzüglich Zinsen von 5 v. H. über dem Basiszinssatz ab dem 2. März 2010 an den Insolvenzverwalter auszuzahlen. Nachdem die Berufung gegen diese Entscheidung am 30. April 2015 vom OLG mit Beschluss vom 30. April 2015 … zurückgewiesen worden war, zahlte das FA am 4. Juni 2015 die Beträge zugunsten der Insolvenzmasse aus. Daraufhin forderte das FA mit Leistungsgebot vom 14. Juli 2015 vom Kläger als Steuerschuldner die zur Insolvenzmasse ausgezahlten Umsatzsteuerbeträge in Höhe von 21.190,84 € zuzüglich der seit der ursprünglichen Fälligkeit entstandenen Säumniszuschläge an. Der Kläger erhob hiergegen mit Schreiben vom 29. Oktober 2015 die Einrede der Verjährung. Er sei nicht am Anfechtungsprozess zwischen dem Land Niedersachsen und dem Insolvenzverwalter beteiligt gewesen, vorsorglich werde das Bestehen eines Anfechtungsanspruchs daher bestritten.

Am 22. März 2016 erließ das FA einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 i. V. m. §§ 228, 229, 231 AO. Hierin stellte das FA gegenüber dem Kläger u. a. fest, dass die Abgabenrückstände aus Umsatzsteuer für das 2. und 3. Quartal 2009 sowie Oktober 2009 sowie die jeweils entstandenen Säumniszuschläge im Zeitpunkt der Anspruchsgeltendmachung durch Leistungsgebot 14. Juli 2015 nicht zahlungsverjährt gewesen sein. Zur Begründung führte es an, dass durch die Auszahlung der vom Insolvenzverwalter angefochten Umsatzsteuerbeträge aus dem Jahr 2009 die ursprünglichen Forderungen des FA gegenüber dem Kläger wiederaufgelebt seien. Daher werde der Kläger selbst als Steuerschuldner nach § 144 InsO in Anspruch genommen. Die Zahlungsverjährungsfrist habe mit Ablauf des 31. Dezember 2009 begonnen. Durch die Geltendmachung der vom Insolvenzverwalter angefochtenen Beträge im September 2010 sei die Verjährung unterbrochen worden. Die Unterbrechung sei erst mit der Entscheidung über die Anfechtung und die anschließende Auszahlung durch die Zurückweisung der Berufung durch das OLG am 30.4.2015 erfolgt. Die Frist habe also gemäß § 231 Abs. 3 AO mit Ablauf des Jahres 2015 erneut zu laufen begonnen, so...

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