Entscheidungsstichwort (Thema)
Bildung einer Rückstellung einer Umlageverpflichtung für Haftpflichtschäden gegenüber einer Haftpflichtgemeinschaft
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen der Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB.
- Die Voraussetzungen für die Bildung einer solchen Rückstellung sind auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen.
- Der Kaufmann muss ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen müssen.
- Für die Passivierung rechtlich noch nicht bestehender Verbindlichkeiten ist ein wirtschaftlicher Bezug der möglicherweise entstehenden Verbindlichkeit zum Zeitraum vor dem jeweiligen Bilanzstichtag erforderlich.
- Die Umlageverpflichtungen für Haftpflichtschädenfälle, die sich durch Realisierung von Betriebsgefahren bis zum 31.12.2007 ereignet hatten und die bis zu jenem Zeitpunkt noch nicht vollständig reguliert waren, waren zum Bilanzstichtag dem Grunde nach entstanden.
- Haben sich Beteiligte hinsichtlich der Höhe des Rückstellungsbetrages im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem FG verständigt, bedarf es insoweit keiner weiterer Feststellungen des Gerichts.
Normenkette
HGB § 249 Abs. 1 S. 1
Streitjahr(e)
2007
Tatbestand
Streitig ist dem Grunde und der Höhe nach der Ansatz einer Rückstellung in der Steuerbilanz der X AG (X) auf den 31. Dezember 2007 wegen einer Umlageverpflichtung gegenüber der Haftpflichtgemeinschaft Deutscher Nahverkehrs- und Versorgungsunternehmen (HDN).
Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der X; diese betrieb bis einschließlich 2006 für die Klägerin den öffentlichen Nahverkehr im … .
In den Veranlagungszeiträumen 2004 bis 2007 hatte sie Rückstellungen für Belastungen aus einer Umlageverpflichtung gegenüber der HDN für Haftpflichtschäden gebildet.
Bei der HDN, einem nichtrechtsfähigen Verein im Sinne von § 54 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), handelt es sich um eine Selbsthilfeeinrichtung für die Versicherung von Verkehrs- und Versorgungsunternehmen, an denen die öffentliche Hand mit mindestens 50 % beteiligt ist.
Dort hatte die X ihre Fahrzeuge „haftpflichtversichert”.
Nach § 1 der Anlage 1 „Bedingungen für die Haftpflichtversicherung” zur HDN-Satzung in der Fassung vom 01.01.2006 erhält jedes Mitglied für Haftpflichtschäden, für die es in Anspruch genommen wird, Deckungsschutz entsprechend den satzungsmäßigen Bedingungen.
Die notwendigen Finanzmittel werden nach § 4 der HDN-Satzung von den Mitgliedern im Umlageverfahren erhoben. Dabei wird der Schadenaufwand auf die Mitglieder für jedes Unfalljahr nach dem Verhältnis der Betriebsleistungen des einzelnen Mitgliedes zu den Betriebsleistungen aller Mitglieder unter Berücksichtigung der individuellen Risiken umgelegt. Die Einzelheiten des Umlageverfahrens im Bereich der Haftpflichtversicherung sind in der Anlage 1 zur Satzung geregelt:
Nach § 7 der Anlage 1 zur Satzung besteht für jedes Schadenereignis ein Selbstbehalt.
Nach § 8 der Anlage 1 zur Satzung („Umlageverfahren”) wird der Haftpflichtschadenaufwand einschließlich der Versicherungssteuer und der Kosten einer etwaige Rückversicherung auf die Mitglieder für jedes in die Mitgliedzeit fallende Unfalljahr nach dem Verhältnis der Betriebsleistungen des einzelnen Mitgliedes zu den Betriebsleistungen aller Mitglieder umgelegt.
Die in Gruppen gegliederten Haftpflichtrisiken der Mitglieder werden bei der Umlagenbemessung für jedes Unfalljahr nach der Betriebsleistung oder der Fahrzeuganzahl mit Punkten bewertet. Mit diesen Punkten ist das einzelne Mitglied zudem mit dem auf die Punkte aller Mitglieder entfallenden Schaden- und Verwaltungsaufwand (Belastung pro Punkt) heranzuziehen. Die Einzelheiten der Punkteberechnung ergeben sich aus § 9 Abs. 2 der Anlage 1 zur Satzung.
Nach § 11 Abs. 1 der Anlage 1 zur Satzung wird für jedes Geschäftsjahr festgestellt, welche Umlagen das Mitglied für die in seine Mitgliedzeit fallenden Unfalljahre im Einzelnen und insgesamt (Gesamtumlage) zu zahlen hat. Für Schadenfälle, die im Geschäftsjahr nicht erledigt sind, werden Rückstellungen gebildet. Diese werden entsprechend den Vorschriften der §§ 8 und 9 der Anlage 1 zur Satzung auf die Mitglieder umgelegt. Von den so ermittelten Umlageanteilen werden 10 % des für das abzuschließende Geschäftsjahr ermittelten Betrages eingefordert, solange nicht 50 % des für die künftigen Umlageverpflichtungen ermittelten Betrages des jeweils abzuschließenden Geschäftsjahres erreicht sind.
Nach § 11 Abs. 2 der Anlage 1 zur Satzung haben die Mitglieder die für den jeweiligen Schaden- und Verwaltungsaufwand benötigten Vorauszahlungen im Verhältnis ihrer Beteiligung an den Umlagen des letzten Geschäftsjahres zu leisten.
Die Zuschlags- bzw. Nachlassberechnung für die Umlagen ergeben sich aus § 12 und § 13 der Anlage 1 zur Satzung.
Nach § 19 der Satzung bleiben die Mitgliedspflichten aus den vor Ende der Mitgliedschaft eingetretenen Schadenereignissen bestehen und si...