Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermessen beim Verspätungszuschlag, Nichtigkeit des Steuerbescheids bei freier Schätzung
Leitsatz (redaktionell)
- Die Festsetzung eines Verspätungszuschlages muss begründet werden, die Ermessenserwägungen der Finanzbehörde müssen im Festsetzungsbescheid, spätestens aber in der Einspruchsentscheidung erkennbar sein.
- Ein Schätzungsbescheid ist nur dann nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies offenkundig ist.
- Die Schätzungsvorschriften erlauben es, Tatsachenfeststellungen mit einem geringeren Grad an Überzeugung zu treffen, als dies i.d.R. geboten ist. Nur weil eine Schätzung von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht, ist sie nicht rechtswidrig.
- Wird eine Schätzung erforderlich, weil der Stpfl. seiner Erklärungspflicht nicht genügt, kann sich das Finanzamt an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren.
- Selbst bei groben Schätzungsfehlern ist Nichtigkeit regelmäßig nicht anzunehmen.
Normenkette
AO §§ 125, 152, 162
Streitjahr(e)
2002
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Schätzungsbescheides zur Einkommensteuer 2002 und des hiermit verbundenen Bescheides über den Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 2002.
Der Kläger gibt seit mehreren Jahren die Steuererklärungen mit erheblicher Verspätung, teilweise erst im Klageverfahren ab. Am 24.02.2005 hatte der Beklagte den Änderungsbescheid zur Einkommensteuer für 2001 erlassen. Für den Veranlagungszeitraum 2002 schätzte der Beklagte am 25.02.2005 die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung mit Bescheid vom 10.03.2005. Dabei ging er von Einkünften aus selbständiger Arbeit von 40.000 Euro und Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von 38.690 Euro aus. Ferner berücksichtigte der Beklagte Sonderausgaben und Kinderfreibeträge, so dass er der Festsetzung ein zu versteuerndes Einkommen von 63.617 DM zugrunde legte. Zudem setzte der Beklagte einen Verspätungszuschlag von 2.100 Euro fest. Zur Begründung der Festsetzung des Verspätungszuschlags enthielt der Bescheid in den Erläuterungen den Hinweis, dass die Festsetzung wegen Nichtabgabe/verspäteter Abgabe der Erklärung erfolgt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 10.03.2005 (Bl. 10 ff. FGA) Bezug genommen.
Den Einspruch gegen den Bescheid wies der Beklagte mit Bescheid vom 13.06.2005 als unbegründet zurück, da die Einkommensteuererklärung nicht vorgelegt wurde. Gesonderte Ausführungen zum Verspätungszuschlag enthält der Einspruchsbescheid nicht.
Am 06.07.2005 ging die Steuererklärung beim Beklagten ein. Darauf hin erließ der Beklagte am 21.07.2005 einen Änderungsbescheid, in dem er die Angaben aus der Einkommensteuererklärung berücksichtigte. Der Verspätungszuschlag blieb unverändert.
Mit der am 18.07.2005 erhobenen Klage begehrt der Kläger die ersatzlose Aufhebung des Einspruchsbescheids, hilfsweise die Aufhebung der Bescheide über die Einkommensteuer und den Verspätungszuschlag und wiederum hilfsweise eine Festsetzung der Steuer nach § 164 Abs. 1 AO. Wegen der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 18.07.2005 (Bl. 1 ff. FGA) Bezug genommen. Nach Bekanntgabe des Änderungsbescheides und Aufforderung durch das Gericht ggf. prozessbeendende Erklärungen abzugeben sowie erfolgter Akteneinsicht änderte der Kläger sein Begehren entsprechend der Klaganträge.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Festsetzung des Verspätungszuschlags sei wegen Willkür nichtig, jedenfalls rechtswidrig. Die Steuerfestsetzung sei ebenfalls wegen Willkür nichtig. Das Finanzamt habe im Zusammenhang mit dem Erlass der strittigen Verwaltungsakte verschiedene Ermessensentscheidungen zu treffen. So habe es unter anderem zu entscheiden, ob die Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgen solle und in welcher Höhe der Verspätungszuschlag festgesetzt werde. Ermessensentscheidungen seien zu begründen. Eine nicht begründete Entscheidung sei in der Regel rechtswidrig. Dies treffe auf die Festsetzung des Verspätungszuschlags zu.
Dem Kläger seien unter Verletzung des Rechts auf Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 75, 96 Abs. 2 FGO und § 364 AO die Mitteilung der Unterlagen der Besteuerung verweigert worden. Die Unterlagen seien dem Kläger trotz Einsichtnahme in die Steuerakten nicht bekannt, da sich aus diesen Akten die Schätzungsgrundlagen nicht hätten entnehmen lassen. Die Akteneinsicht habe vielmehr ergeben, dass es keinerlei Angaben, Aufzeichnungen, Hinweise oder ähnliches gebe, welches auf die Art und die Umstände der Schätzung hindeute. Dieser eklatante Rechtsverstoß führe zur Nichtigkeit, jedenfalls Rechtswidrigkeit der Schätzung.
Der Beklagte hätte zudem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung schätzen müssen. Zwar stehe die Festsetzung unter Vorbehalt im freien Ermessen, dessen Ausübung grundsätzlich keiner Begründung bedürfe. Da das Finanzamt aber bewusst unter Verletzung aller für eine Schätzung anerkannten Rechtsgrundsätze g...