Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermessen beim Verspätungszuschlag, Nichtigkeit des Steuerbescheids bei freier Schätzung
Leitsatz (redaktionell)
- Die Festsetzung eines Verspätungszuschlages muss begründet werden, die Ermessenserwägungen der Finanzbehörde müssen im Festsetzungsbescheid, spätestens aber in der Einspruchsentscheidung erkennbar sein.
- Ein Schätzungsbescheid ist nur dann nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies offenkundig ist.
- Die Schätzungsvorschriften erlauben es, Tatsachenfeststellungen mit einem geringeren Grad an Überzeugung zu treffen, als dies i.d.R. geboten ist. Nur weil eine Schätzung von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht, ist sie nicht rechtswidrig.
- Wird eine Schätzung erforderlich, weil der Stpfl. seiner Erklärungspflicht nicht genügt, kann sich das Finanzamt an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren.
- Selbst bei groben Schätzungsfehlern ist Nichtigkeit regelmäßig nicht anzunehmen.
Normenkette
AO §§ 125, 152, 162
Streitjahr(e)
2003
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Schätzungsbescheides zur Umsatzsteuer 2003 und des hiermit verbundenen Bescheides über den Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2003.
Der Kläger gibt seit mehreren Jahren die Steuererklärungen mit erheblicher Verspätung, teilweise erst im Klageverfahren (so für die Jahre 2001: 13 K 276/04; 2002: 13 K 328/05) ab. Für den Veranlagungszeitraum 2003 schätzte der Beklagte am 25.05.2005 die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung mit Bescheid vom 06.06.2005. Dabei ging er von Umsätzen zu 16 v.H. in Höhe von 30.000 Euro und Umsätzen zu 7 v.H. von 50.000 Euro aus. Ferner berücksichtigte der Beklagte Umsatzsteuer auf Lieferungen, sonstige Leistungen und unentgeltliche Wertabgaben in Höhe von 8.300 Euro und Vorsteuern in Höhe von 2.100 Euro. Aufgrund der geleisteten Vorauszahlungen aus den Voranmeldungen in Höhe von 5.903,46 Euro ergab sich eine Zahllast von 296,54 Euro. Zudem setzte der Beklagte einen Verspätungszuschlag von 600 Euro fest. Eine Begründung der Festsetzung des Verspätungszuschlags enthielt der Bescheid nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheide vom 06.06.2005 (Bl. 10 f. FGA) Bezug genommen.
Den Einspruch gegen die Bescheide wies der Beklagte mit Bescheid vom 22.08.2005 als unbegründet zurück, da die Umsatzsteuererklärung nicht vorgelegt wurde. Gesonderte Ausführungen zum Verspätungszuschlag enthält der Einspruchsbescheid nicht.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die ersatzlose Aufhebung der Bescheide über die Umsatzsteuer und den Verspätungszuschlag, hilfsweise die Mitteilung der Unterlagen der Besteuerung und eine Festsetzung der Steuer nach § 164 Abs. 1 AO. Wegen der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 26.09.2005 (Bl. 1 ff. FGA) Bezug genommen. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Festsetzung des Verspätungszuschlags sei wegen Willkür nichtig, jedenfalls rechtswidrig. Die Steuerfestsetzung sei ebenfalls wegen Willkür nichtig. Das Finanzamt habe im Zusammenhang mit dem Erlass der strittigen Verwaltungsakte verschiedene Ermessensentscheidungen zu treffen. So habe es unter anderem zu entscheiden, ob die Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgen solle und in welcher Höhe der Verspätungszuschlag festgesetzt werde. Ermessensentscheidungen seien zu begründen. Eine nicht begründete Entscheidung sei in der Regel rechtswidrig. Dies treffe auf die Festsetzung des Verspätungszuschlags zu.
Dem Kläger seien unter Verletzung des Rechts auf Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 75, 96 Abs. 2 FGO und § 364 AO die Mitteilung der Unterlagen der Besteuerung verweigert worden. Die Unterlagen seien dem Kläger trotz Einsichtnahme in die Steuerakten nicht bekannt, da sich aus diesen Akten die Schätzungsgrundlagen nicht hätten entnehmen lassen. Die Akteneinsicht habe vielmehr ergeben, dass es keinerlei Angaben, Aufzeichnungen, Hinweise oder ähnliches gebe, was auf die Art und die Umstände der Schätzung hindeute. Dieser eklatante Rechtsverstoß führe zur Nichtigkeit, jedenfalls Rechtswidrigkeit der Schätzung.
Der Beklagte hätte zudem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung schätzen müssen. Zwar stehe die Festsetzung unter Vorbehalt im freien Ermessen, dessen Ausübung grundsätzlich keiner Begründung bedürfe. Da das Finanzamt aber bewusst unter Verletzung aller für eine Schätzung anerkannten Rechtsgrundsätze geschätzt habe, sei das Ermessen auf Null reduziert, um die nachteilige Schätzung nicht bestandskräftig werden zu lassen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 13.12.2005 (Bl. 19 ff. FGA zu 13 K 528/05) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide über den Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2003 ersatzlos sowie den Steuerbescheid vom 06.06.2005 aufzuheben,
hilfsweise das Finanzamt zu verpflichten, die Unterlagen der Besteuerung mitzuteilen und die Schätzung unter den Vorbehalt der Nachprüfung zu stellen.