Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für Sohn als außergew. Belast, der Eltern. Einkommensteuer 1986
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger (Kl.) sind Eheleute. Sie wurden im Streitjahr 1986 zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt.
Die Beteiligten streiten darüber, ob Prozeßkosten, die die Kl. für einen von ihrem Sohn geführten Zivilgerichtsprozeß übernommen haben, als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind.
Die Kl. haben einen gemeinsamen Sohn, der im Streitjahr 24 Jahre alt war und Medizin studierte.
Bei dem Sohn wurde 1967 eine Fehlstellung der Zähne festgestellt. Er unterzog sich deshalb in der Zeit von 1971 bis 1979 einer Behandlung im Zahn- und Kieferbereich bei einer Fachzahnärztin für Kieferorthopädie. Im Jahr 1983 klagte er auf Leistung von Schadenersatz und Schmerzensgeld. Er vertrat die Auffassung, die Fachärztin habe ihn aufgrund unzureichender Diagnosen falsch behandelt. Die Klage wurde nach Einholung eines Sachverständigengutachtens vom Landgericht mit Urteil vom 18. April 1985 abgewiesen (Urteil des LG B. vom 18. April 1985 …). Die Berufung blieb erfolglos (Urteil des OLG B. vom 10. Dezember 1985 …). Die Revision nahm der Bundesgerichtshof nicht an.
Im Zusammenhang mit diesem Rechtsstreit entstanden Prozeßkosten i.H.v. 15.604,90 DM (auf Bl. 9–13 der Rechtsbehelfsakte wird Bezug genommen). Diese Aufwendungen wurden von den Kl. getragen. Sie machten die Kosten in ihrer ESt-Erklärung 1986 als außergewöhnliche Belastung geltend.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) verneinte die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen und ließ die Prozeßkosten nicht zum Abzug zu.
Der dagegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg.
Mit ihrer Klage verfolgen die Kl. ihr Ziel weiter, die Prozeßkosten als außergewöhnliche Belastungen abziehen zu können.
Sie tragen vor, die Kosten seien ihnen zwangsläufig entstanden. Die Universitätsklinik G. und die Medizinische Hochschule H. hätten die Behandlungen ihres Sohnes als fehlgeschlagen angesehen. Der Versuch einer Verbesserung sei erfolglos geblieben. Im Rahmen dieser Nachbehandlung hätten sie erfahren, daß der schlechte Zahn- und Kieferzustand ihres Sohnes auf vorangegangenen Kunstfehlern beruhe. Bei dieser Sachlage hätten sie sich als Eltern verpflichtet gefühlt, ihren Sohn bei der Führung der Zivilrechtsstreite zu unterstützen und die Prozeßkosten zu übernehmen. Sie hätten sich insbesondere deshalb zur Unterstützung veranlaßt gesehen, weil sie die ursprüngliche Behandlung bei der in Anspruch genommenen Facharzt in selbst veranlaßt hatten.
Die Kl. beantragen,
die Steuer unter Änderung des Bescheids vom 19. November 1990 i.d.F. vom 14. Februar 1996 soweit herabzusetzen als außergewöhnliche Belastungen i.H.v. 9.856,34 DM berücksichtigt werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bleibt bei seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung, die Prozeßkosten seien den Kl. nicht zwangsläufig erwachsen. Die angestrengten gerichtlichen Verfahren seien allein auf einen Geldanspruch (Schadenersatz und Schmerzensgeld) gerichtet gewesen. Sie hätten die Behandlungsdauer und den Behandlungsverlauf nicht mehr beeinflussen können. Die Kl., die selbst als Rechtsanwälte tätig seien, hätten um das besondere Risiko eines solchen Gutachterprozesses wissen müssen. Eine Verpflichtung, sich in derartige gerichtliche Auseinandersetzungen zu begeben, habe nicht bestanden.
In Betracht komme allenfalls eine sittliche Verpflichtung. Diese wäre lediglich dann zu bejahen, wenn die Kl. andernfalls Nachteile im sittlich-moralischen Bereich oder auch auf gesellschaftlicher Ebene hätten befürchten müssen. Dafür gebe der Sachverhalt jedoch keinen Anlaß. Derartige Nachteile seien von den Kl. auch nicht vorgetragen worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtenen Steuerbescheid ist rechtmäßig. Die Kl. werden durch ihn nicht in ihren Rechten verletzt, da das FA die streitigen Prozeßkosten im Ergebnis zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S.v. § 33 EStG abgezogen hat.
Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die ESt auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen sind in diesem Sinne zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach der Rechtsprechung ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn die vorstehend aufgezählten Gründe der Zwangsläufigkeit von außen derart auf die Entschließung des Steuerpflichtigen einwirken, daß er ihnen nicht ausweichen kann (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 18. Juli 19...