vorläufig nicht rechtskräftig
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [VI R 15/22)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Ort der ersten Tätigkeitsstätte bei Versetzung und sofortiger mehrjähriger Rückabordnung eines Finanzbeamten
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Versetzung eines Finanzbeamten an ein Finanzamt für Großbetriebsprüfung und gleichzeitiger Rückabordnung an ein anderes Finanzamt im Rahmen der Ausbildung zum Großbetriebsprüfer stellen die Fahrten zum Abordnungs-Finanzamt Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte dar, wenn beim Finanzamt für Großbetriebsprüfung während dieser Zeit keine wesentlichen Arbeitsleistungen erbracht wurden.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Ort einer ersten Tätigkeitsstätte.
Der Kläger ist Finanzbeamter. In der Zeit vom 1. Dezember 2014 bis zum 31. Juli 2016 absolvierte er den Regelaufstieg nach § 33 Niedersächsische Laufbahnverordnung (NLVO). In diesem Zeitraum besuchte er regelmäßig Vorlesungen in … in Niedersachsen. Zum Ende des Studiums hatte er im Nachgang zu einer Informationsveranstaltung der Niedersächsischen Finanzverwaltung sein Interesse an der Teilnahme am Pilotprojekt „Einstellung beim Finanzamt für Großbetriebsprüfung A” bekundet. Im Rahmen dieses Projekts wird ein Wechsel an das Finanzamt für Großbetriebsprüfung A für Absolventen und Absolventinnen einer bestandenen Laufbahnprüfung zeitnah nach Bestehen der Prüfung ermöglicht.
Das Ausbildungsprojekt verläuft regelmäßig so, dass die Bewerber zum Finanzamt für Großbetriebsprüfung versetzt und dann für vier Jahre an ihr ursprüngliches Finanzamt abgeordnet werden. Im dortigen Finanzamt werden die Bewerber zunächst für zwei Jahre im Innendienst und im Anschluss für zwei Jahre in der Betriebsprüfung eingesetzt und eingearbeitet. Nach der Einarbeitung als Betriebsprüfer wird die Abordnung nach vier Jahren voraussichtlich aufgehoben und die Tätigkeit beim Finanzamt für Großbetriebsprüfung aufgenommen, wo eine zweijährige Einarbeitungszeit geplant ist. Während der vierjährigen Abordnung an das Heimat-Finanzamt werden die Kandidaten zwei- bis viermal jährlich an das Finanzamt für Großbetriebsprüfung eingeladen, um die zukünftigen Kollegen und Kollegen und die Tätigkeit als Großbetriebsprüfer bzw. Großbetriebsprüferin kennenzulernen. Zudem wird während der Zeit der Abordnung der sog. Nachwuchsprüferlehrgang absolviert, der Voraussetzung für eine Tätigkeit in der (Groß-)Betriebsprüfung ist. An diesem Lehrgang nehmen auch Anwärter und Anwärterinnen für eine Stelle als Amtsbetriebsprüfer bzw. Amtsbetriebsprüferin teil, die keine Versetzung an das Finanzamt für Großbetriebsprüfung anstreben, sondern in die Amtsbetriebsprüfung des jeweiligen Finanzamts wechseln wollen. Die Beendigung der Ausbildung bedarf einer weiteren Abordnungs- oder Versetzungsverfügung, die an die erfolgreiche Einarbeitung in die Tätigkeit als Betriebsprüfer bzw. Betriebsprüferin geknüpft ist.
Besuche im Finanzamt für Großbetriebsprüfung fanden - mit Ausnahme des Nachwuchsprüferlehrgangs - nur an einzelnen Tagen, z.B. zur Hospitation statt. Im Jahr 2016 war der Kläger im Rahmen dieser Hospitationen an vier Tagen im Finanzamt für Großbetriebsprüfung und im Jahr 2017 für drei Tage. Dabei umfassten die Hospitationen nie mehr als zwei aufeinanderfolgende Tage.
Mit Schreiben vom 5. August 2016 wurde dem Kläger durch den Vorsteher des Finanzamts für Großbetriebsprüfung zur bestandenen Laufbahnprüfung gratuliert und mitgeteilt, dass man sich freue, dass der Kläger entschieden habe, an dem Pilotprojekt der Oberfinanzdirektion Niedersachsen - Einstellung beim Finanzamt für Großbetriebsprüfung A teilzunehmen. In dem Schreiben heißt es weiter:
"[…]
Zum 1. September 2016 werden Sie an das Finanzamt für Großbetriebsprüfung A versetzt und gleichzeitig an Ihr derzeitiges Finanzamt für die nächsten vier Jahre abgeordnet werden. Ab dem Jahr 2020 werden Sie dann in meinem Finanzamt weitere zwei Jahre auf Ihre Tätigkeit als Großbetriebsprüfer vorbereitet werden. […]”
Nach Beendigung seines Regelaufstiegs wurde der Kläger mit Verfügung der Oberfinanzdirektion … vom 22. August 2016 zum 1. September 2016 an das Finanzamt für Großbetriebsprüfung A versetzt und gleichzeitig bis auf Weiteres an das Finanzamt B abgeordnet. Weiterhin wird in der Verfügung vom 22. August 2016 folgendes ausgeführt:
"[…]
Sie werden beim Finanzamt B nach einer zweijährigen Verwendung im Innendienst, davon ein Jahr in der allgemeinen Veranlagung (einschließlich drei Monate Körperschaftsteuer), als Amtsbetriebsprüfer eingearbeitet. Nach einer erfolgreichen Einarbeitung als Betriebsprüfer wird die Abordnung an das Finanzamt B voraussichtlich nach vier Jahren aufgehoben. Sie werden dann für die Dauer von zwei Jahren in die Aufgaben eines Großbetriebsprüfers eingewiesen. […]”
Nach erfolgreicher Bestellung zum Betriebsprüfer wurde die Abordnung an das Finanzamt B zum 1. August 2020 au...