rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gestaltungserhaltende Auslegung des § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG im Lichte der Art. 63 und 65 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 AEUV
Leitsatz (redaktionell)
§ 2 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2a EStG verstößt bei wörtlicher Auslegung insoweit gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 AEUV, als Verluste aus der Veräußerung von Beteiligungen an Drittstaaten-Kapitlgesellschaften auch dann erfasst sind, wenn Veräußerer und Erwerber der Anteile in Deutschland wohnen, mithin der Sachverhalt von den deutschen Finanzbehörden ohne Weiteres aufgeklärt werden kann. Die Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit ist durch gestaltungserhaltende Auslegung und Erweiterung des § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG zu heilen, als Drittlandstaaten-Kapitalgesellschaften solche sind, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz in einem Mitgliedstat der Europäischen Union haben und bei denen der steuerrechtliche Sachverhalt des An- und späteren Verkaufs der Beteiligung einschließlich der eventuell mit einzubeziehenden Gewährung kapitalersetzender Darlehen nicht ausschließlich in Deutschland verwirklicht worden ist.
Normenkette
EStG § 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Abs. 2 S. 1 Nr. 2; AEUV Art. 63, 65 Abs. 1 Buchst. a
Streitjahr(e)
2003
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger im Streitjahr 2003 durch die Veräußerung einer Beteiligung an einer polnischen Kapitalgesellschaft, der A Sp. z.o.o. (Sp.) negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte, die den Verlustverrechnungsbeschränkungen des § 2 a Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) unterliegen.
Der Kläger ist verheiratet und wurde mit seiner Ehefrau im Streitjahr 2003 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Er ist Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs mit einem Hofladen. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte er einen Veräußerungsverlust in Höhe von 518.889 € nach § 17 EStG geltend, der nach seinen Angaben durch den Verkauf von Anteilen an der Sp. entstanden war.
Die Sp. wurde durch Notarvertrag vom xx. April 1995 mit statutarischem Sitz in W und einem ursprünglichen Stammkapital von 15.000 Zloty gegründet, welches in 150 Anteile zu je 100 Zloty geteilt war. Hiervon wurden von dem polnischen Gründungsgesellschafter L 78 Anteile übernommen (52 v. H.) sowie von den beiden deutschen Gründungsgesellschaftern S und V jeweils 36 Anteile (je 24 v. H.). Knapp ein halbes Jahr später nach Gründung der Gesellschaft wurde bei dieser mit Notarurkunde vom xx. Oktober 1995 eine Kapitalerhöhung vorgenommen und das Stammkapital auf 190.500 Zloty aufgestockt, weiterhin geteilt in 150 Anteile zu nunmehr 1.270 Zloty. Die Beteiligungsquoten der drei Gründungsgesellschafter blieben hierbei unverändert.
Gegenstand der Sp. war der Betrieb der Landwirtschaft, speziell des Ackerbaus und des Gemüseanbaus bei ebenfalls geplanter Tierhaltung, in K in der Gemeinde P (gelegen in der Provinz Niederschlesien, nahe der Grenze zu Sachsen und Brandenburg). Der Betrieb erstreckte sich insgesamt über mehrere hundert Hektar, die teilweise im Eigentum der Gesellschaft standen und teilweise gepachtet waren. Diese landwirtschaftlichen Flächen lagen in unmittelbarer Nähe der Oder.
Anfang 1997 wurden dem Kläger und zwei weiteren deutschen Landwirten aus dem Raum Kassel/Hildesheim von den gleichfalls aus dieser Region stammenden deutschen Gründungsgesellschaftern S und V angeboten, sich an der polnischen Gesellschaft zu beteiligen und deren Geschäftspotential als Zuführung neuer Liquidität zu verbessern. Nachdem der Kläger sich über die Sp. als solche und die dieser in Polen zur Verfügung stehenden Flächen sowie das Betriebskonzept informiert hatte, schien ihm dies eine lohnende Investition. Mit Notarvertrag vom xx. April 1997 erwarb er daher für einen Kaufpreis von 180.000 Zloty 16 der insgesamt 36 von Gründungsgesellschafter S gehaltenen Anteile, mithin also eine Beteiligung von 16/150 an der Sp. Weitere Anteilsveräußerungen erfolgten von S an W (4 Anteile), sowie von Gründungsgesellschafter V an M (16 Anteile) und W (4 Anteile). Darüber hinaus gewährte der Kläger der Sp. auch noch ein Darlehen in Höhe von 1.000.000 DM (entspricht 1.800.000 Zloty). Nach Nr. 13 der notariellen Urkunde vom xx. April 1997 sollten die genauen Regularien des Darlehens in einzelnen Darlehensverträgen festgelegt werden. Das Darlehen sollte mit 7,5 v. H. verzinst und im Mai 2002 in einem Betrag zurückgezahlt werden. Der Kläger refinanzierte einen Teilbetrag von 800.000 DM durch einen Kredit bei der Deutschen Genossenschafts-Hypothekenbank mit einem Zinssatz von 6,4 v. H.
Der Kläger schloss am xx. Mai 1997 mit der Sp. einen privatschriftlichen Darlehensvertrag über 1.000.000 DM mit einem Zinssatz von jährlich 7,5 v. H. und einer Laufzeit vom 1. Mai 1997 bis Mai 2002. Die Zinsen waren kalendervierteljährlich zu berechnen. Komme der Darlehensnehmer mit der Rückzahlung der Darlehenszinsen mit mehr als zwei Raten in Verzug, so sei das restliche Darlehen sofort fäl...