Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine vorrangige Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers bei einvernehmlicher Schwarzlohnzahlung
Leitsatz (redaktionell)
Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Schuldner der Lohnsteuer sind gemäß § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG Gesamtschuldner.
Handeln Arbeitgeber wie Arbeitnehmer durch Vereinbarung von Schwarzlohnzahlungen vorsätzlich, kann der Vorwurf vorsätzlichen Handelns eine vorrangige Inanspruchnahme des Arbeitgeber nicht rechtfertigen. Das gilt jedenfalls dann, wenn weder dem Haftungs- noch dem Einspruchsbescheid bzw. den Steuerakten zu entnehmen ist, warum es nicht möglich war, die ehemaligen Arbeitnehmer in Anspruch zu nehmen.
Die Pauschalierung der Lohnsteuer ist nur „auf Antrag”, d.h. mit Zustimmung des Arbeitgeber zulässig. Hat der Arbeitgeber keinen Antrag auf Pauschalierung gestellt, ist ein Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid rechtswidrig.
Normenkette
EStG § 38 Abs. 2 S. 1, § 40a Abs. 2, § 42d Abs. 1, 3
Streitjahr(e)
1991, 1992
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger Schwarzlöhne gezahlt hat.
Der Kläger ist Zahnarzt. Er betätigt sich auch auf dem Immobiliensektor, indem er sanierungsbedürftige Geschäftsbauten erwirbt und nach Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten verkauft oder verpachtet. Wegen des besonderen Konzepts des Objekts „Markthalle X” war der Kläger gezwungen, dort selbst als Inhaber von mehreren Verkaufsständen aufzutreten, als er für sie keine Mieter oder Pächter fand. Die Stände, u.a. auch ein Pizza- und Nudelstand, wurden ausschließlich mit Fremdpersonal betrieben.
Als im Rahmen einer allgemeinen Außenprüfung der Prüfer Unterlagen bezüglich des Pizza- und Nudelstands anforderte, händigte der Kläger dem Prüfer zwei Aktenordner aus. In einem befanden sich handschriftliche Unterlagen, aus denen sich Tageserlöse und Kosten ergeben, die nicht mit den erklärten Besteuerungsgrundlagen übereinstimmen. Die Aufzeichnungen weisen für die Monate Oktober 1991 bis Januar 1992 neben der Rubrik „Gehälter” auch die Rubriken „Gehälter schwarz” bzw. „Gehälter schw” mit Beträgen aus, hinter denen jeweils ein Arbeitnehmer namentlich aufgeführt bzw. „Aushilfen” oder „RE schwarz” vermerkt ist (Einzelheiten Bl. 48 ff Lohnsteuer-Arbeitgeberakte – LStA).
Der Beklagte sah in den Aufzeichnungen die zutreffenden Uraufzeichnungen des Pizza- und Nudelstands auch bezüglich der Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer und Aushilfen sowohl der Höhe wie auch dem Empfänger nach, wobei auch die unter „RE schwarz” aufgeführten Beträge als Zahlungen an Aushilfen gewertet wurden. In dem angefochtenen Lohnsteuer-Haftungs– und –Nachforderungsbescheid (Bl. 12 Gerichtsakte – GA) wurde daher die Lohnsteuer des Haftungsbescheids nach den Steuermerkmalen der jeweiligen Arbeitnehmer ermittelt. In dem Bescheid heißt es, der Kläger werde als Haftender in Anspruch genommen, weil die Beträge vom Arbeitnehmer nicht nachgefordert werden könnten. Der Nachforderungsbescheid beruht auf dem Ansatz einer pauschalen Lohnsteuer von 15 v.H. auf die als Schwarzlohnzahlungen an Aushilfen angesehenen Beträge. Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren (Einspruchsbescheid vom 12.03.1999 – Bl. 15 GA) die Klage.
Der Kläger bestreitet die Richtigkeit der Aufzeichnungen wie auch, dass Schwarzlohnzahlungen überhaupt erfolgt seien. Quittungen gebe es nicht. Woher die Aufzeichnungen stammten, sei unklar. Sie seien aber jedenfalls nicht von ihm oder in seinem Auftrag angefertigt worden. Wenn er von den Aufzeichnungen gewusst hätte, hätte er die Ordner nicht an den Prüfer herausgegeben. Möglicherweise lägen auch Unterschlagungen des Geschäftsführers vor. Zumindest hätte der Beklagte die Arbeitnehmer zunächst selbst in Anspruch nehmen können.
Der Kläger beantragt,
den Lohnsteuer-Haftungs- und -Nachforderungsbescheid vom 24.08.1998 und den dazu ergangenen Einspruchsbescheid vom 12.03.1999 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Der Beklagte meint, die Aufzeichnungen seien der Besteuerung zugrunde zu legen. Der Ordner mit den Aufzeichnungen stamme aus der Sphäre des Klägers. Kein Arbeitnehmer zeichne Unterschlagungen akribisch auf und überlasse diese Beweise dann seinem Arbeitgeber. Der Kläger müsse schon erklären, wie die Aufzeichnungen in seine Unterlagen gelangt seien. Zudem habe er die Hinzuschätzungen bei der Umsatzsteuer akzeptiert, mithin die Richtigkeit der Aufzeichnungen nicht grundsätzlich bestritten und damit auch anerkannt, dass er die Einnahmen nicht vollständig erklärt habe. Die Inanspruchnahme des Klägers sei ermessensfehlerfrei, weil er vorsätzlich keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt habe.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Haftungsbescheid ist wegen fehlerhafter Ermessensausübung, der Nachforderungsbescheid wegen fehlenden Antrags des Klägers auf Pauschalierung der Lohnsteuer aufzuheben.
1. Der auf § 42d Abs. 1 Nr. 3 EStG gestützte Haftungsbescheid über die Lohnsteuer der Jahre ...