Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuerzerlegung in gemeindefreien Gebieten. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: IV R 5/22)
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Gewerbesteuerzerlegung bei Windkraftanlagen innerhalb der 12-Seemeilen-Zone.
2. Die Gewerbesteuerhebeberechtigung betreffend Betriebsstätten in den niedersächsischen Küstengewässern bestimmt sich nach § 4 Abs. 2 Gewerbesteuergesetz i.V.m. § 1 Abs. 1 der Niedersächsischen Verordnung über die Erhebung der Gewerbe- und Grundsteuer in gemeindefreien Gebieten; diese Vorschriften verstoßen nicht gegen die Garantie der kommunalen Selbstverwaltungshoheit aus Art. 28 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 6 GG.
Normenkette
GewStG §§ 29, 4 Abs. 2; GG Art. 106 Abs. 6, Art. 28 Abs. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Zerlegung eines Gewerbesteuermessbetrages und der Zuweisung eines Zerlegungsanteils an den Beigeladenen zu 1).
Die Klägerin ist eine kommunale Gebietskörperschaft im Landesgebiet des Beigeladenen zu 1). In der Küstenregion des Beigeladenen zu 1), die nicht an das Gebiet der Klägerin grenzt, betreibt die Beigeladene zu 2), die ihren Sitz im Gebiet der Klägerin hat, innerhalb der 12-Seemeilen-Zone einen Windpark. Für diesen Gewerbebetrieb setzte der Beklagte mit Bescheid vom 14. November 2017 einen Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von XXX € fest.
Hinsichtlich dieses Gewerbesteuermessbetrages sah der Beklagte die Voraussetzungen für eine Zerlegung nach § 29 Gewerbesteuergesetz (in der bis zum Erhebungszeitraum 2014 geltenden Fassung -GewStG-) als gegeben an und erließ ebenfalls am 14. November 2017 einen entsprechenden Zerlegungsbescheid. Darin berücksichtigte der Beklagte, dass die Beigeladene zu 2) im Streitzeitraum keine Arbeitslöhne gezahlt hatte und außer den Windkraftanlagen kein weiteres Sachanlagevermögen besaß. Für den Sitz der Klägerin berücksichtigte der Beklagte einen fiktiven Mitunternehmerlohn gem. § 31 Abs. 5 GewStG für die geschäftsführende persönlich haftende Gesellschafterin. Soweit der Zerlegungsanteil an dem Gewerbesteuermessbetrag auf die Arbeitslöhne entfiel, wies der Beklagte diesen in voller Höhe der Klägerin zu. Im Übrigen wies der Beklagte den auf das Sachanlagevermögen entfallenden Zerlegungsanteil in voller Höhe dem Beigeladenen zu 1) zu. Daraus ergab sich folgendes Zerlegungsergebnis:
Nr. |
|
Maßstab 1 (30/100) Verhältnis der Arbeitslöhne |
Maßstab 2 (70/100) Verhältnis Sachanlagevermögen |
Zerlegungsanteil |
1 |
Klägerin (Sitz der Geschäftsleitung) |
… € |
0 € |
XXX € x 0,3 |
2 |
Beigeladener zu 1) |
0 € |
… € |
XXX € x 0,7 |
|
Summen |
… € |
… € |
XXX € |
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein und führte zur Begründung aus, dass der von der Beigeladenen zu 2) betriebene Windpark sich zwar innerhalb der 12-Meilen-Zone und damit auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland befinde. Das Areal sei jedoch keiner Gemeinde zugehörig. Der Beigeladene zu 1) habe in der Verordnung über die Erhebung der Gewerbe- und Grundsteuer in gemeindefreien Gebieten vom 2. Oktober 2008 (GGrStGfGebV ND) bestimmt, dass der Beigeladene zu 1) die auf die Betriebsstätten in gemeindefreien Gebieten entfallende Gewerbesteuer selbst erhebe. Diese Regelung sei rechtswidrig, da Art. 106 Abs. 6 Grundgesetz (GG) festlege, dass das Aufkommen der Gewerbesteuer ausschließlich den Gemeinden zustehe. Der Bund und die einzelnen Bundesländer würden lediglich in der Form einer abzuführenden Umlage an dem Gewerbesteueraufkommen partizipieren. Der Beigeladene zu 1) hätte daher durch eine entsprechende auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 GewStG erlassenen Verordnung lediglich bestimmen dürfen, welcher Gemeinde der anteilige Gewerbesteuermessbetrag zustehe, nicht jedoch sich selbst die Gewerbesteuer zuweisen dürfen. Daher verbleibe es nach der allgemeinen Zerlegungsregel nach Arbeitslöhnen, so dass der Gewerbesteuermessbetrag in voller Höhe der Klägerin zuzuweisen sei.
Die zum Einspruchsverfahren hinzugezogene Beigeladene zu 2) ist ebenfalls der Auffassung, dass der Beigeladene zu 1) durch die auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 GewStG erlassene Rechtsverordnung die Gewerbesteuer sich nicht selbst hätte zuweisen dürfen. Es hätten zwar die Voraussetzungen für eine Gewerbesteuerzerlegung vorgelegen. Allerdings sei § 1 Abs. 1 GGrStGfGebV ND rechtswidrig und somit nicht anzuwenden. Daher sei der Zerlegungsanteil in Höhe von 70 v.H. für das gemeindefreie Gebiet mangels rechtswirksamer Zuordnung weder einer Gemeinde noch dem Beigeladenen zu 1) zuzuordnen, dass sodass insoweit keine Gewerbesteuer zu erheben sei.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Bescheid vom 5. April 2019 mit der Begründung zurück, dass ein Fall der Gewerbesteuerzerlegung im Sinne des § 28 GewStG vorliege. Da sich eine Betriebsstätte der Klägerin in einem gemeindefreien Gebiet befinde, richte sich die Frage, wer insoweit hebeberechtigt sei, nach § 4 Abs. 2 GewStG i.V.m. der auf der Grundlage dieser Vorschrift erlassenen Verordnung über die Erhebung der Gewerbe- und Grundsteuer in gemeindefreien Gebieten. Danach sei...