Entscheidungsstichwort (Thema)
Einwilligung in Löschung eines dinglichen Wohnrechts als freigebige Zuwendung
Leitsatz (redaktionell)
- Die Aufgabe eines dinglichen Wohnrechts kann eine freigebige Zuwendung i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG begründen.
- Als Schenkung unter Lebenden unterliegt jede freigebige Zuwendung unter Lebenden der SchSt, soweit der Bedachte auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.
- In objektiver Hinsicht ist hierfür eine Vermögensverschiebung erforderlich; in subjektiver Hinsicht muss der Zuwendende in dem Bewusstsein handeln, die Zuwendung unentgeltlich oder teilunentgeltlich vorzunehmen.
Normenkette
ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Aufgabe eines dingliches Wohnungsrechts eine freigebige Zuwendung i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) begründet.
Der Kläger ist Erbe seines im Jahre 2005 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehört u. a. das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück in A. In dem Haus befinden sich drei Wohnungen mit einer Wohnfläche von jeweils 80 m². Durch Vermächtnis wandte der Erblasser seiner im Jahre 1939 geborenen Lebensgefährtin für eine dieser Wohnungen ein Wohnungsrecht zu.
Mit notariellem Vertrag (…) wurde der Vermächtnisnehmerin „an der abgeschlossenen Wohnung im 3. Stock (…) des Hauses in A, (…) die Eintragung eines lebenslänglichen Wohnungsrechts gem. § 1093 BGB” eingeräumt. Das Wohnungsrecht, dessen Ausübung nach dem Vertrag „keinem Dritten überlassen werden” darf, wurde im Grundbuch, Abteilung II/5, eingetragen. Nachdem die Berechtigte dem Antrag des Klägers auf Löschung des Wohnungsrechts zugestimmt hatte, wurde dieses im Jahre 2007 im Grundbuch gelöscht. (…)
Mit Bescheid des Finanzamts A vom (…) wurde der Grundstückswert für die in Rede stehenden Wohnung zum Besteuerungszeitpunkt (…) gesondert festgestellt. Dieser Bescheid wurde vom Kläger nicht angefochten.
Die Lebensgefährtin des Erblassers teilte dem FA mit Anwaltsschreiben (…) mit, das Wohnrecht in der Zeit etwa von Mitte 2005 bis Mitte 2006 wahrgenommen zu haben. Ende August 2006 sei sie aus familiären Gründen nach F gezogen.
Mit Bescheid (…) setzte das FA gegenüber dem Kläger Schenkungsteuer (…) fest. (…)
Hiergegen legte der Kläger (…) Einspruch ein. Es habe keine Bereicherungsabsicht vorgelegen, stattdessen habe die Wohnung für die Lebensgefährtin seines verstorbenen Vaters eine Belastung dargestellt. Die Wohnung habe für die Vermächtnisnehmerin keinen Nutzungs- oder Vermögenswert verkörpert. Daher sei das Wohnungsrecht entgegen der Anforderung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht „auf Kosten” der Zuwendenden aufgegeben worden.
Mit Einspruchsentscheidung (…) wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei der einseitige Wille des Zuwendenden für das Merkmal der Unentgeltlichkeit ausreichend (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1994 II R 59/92, BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366). Ein auf die Bereicherung des Empfängers gerichteter Wille im Sinne einer Bereicherungsabsicht und ein Wille zur schenkungsweisen Zuwendung seien nicht erforderlich. Auf die Motive des Zuwendenden komme es nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 5. Februar 2003 II R 84/00, BFH/NV 2004, 340, unter II. 2. b.).
Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen klage macht der Kläger ergänzend geltend, er und die Vermächtnisnehmerin seien nicht davon ausgegangen, dass durch den Verzicht auf das Wohnungsrecht eine unentgeltliche Zuwendung begründet werde. Die Lebensgefährtin des Erblassers habe durch die Löschungsbewilligung allein das Ziel verfolgt, sich der mit dem Wohnungsrecht verbundenen Kosten zu entledigen. Im Übrigen erscheine es zweifelhaft, ob das FA das Wohnungsrecht zutreffend bewertet habe. Die Einschränkung der ausschließlichen Selbstnutzung sei nicht berücksichtigt worden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid über Schenkungsteuer (…) in Gestalt der Einspruchsentscheidung (…) aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt das FA im Wesentlichen auf die Gründe der Einspruchsentscheidung Bezug.
Mit Beschluss vom 18. Dezember 2009 3 V 297/09 hat der Senat den für das Klageverfahren gestellten Aussetzungsantrag abgelehnt.
(…)
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in dessen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Die Festsetzung der Schenkungsteuer ist nicht zu beanstanden.
1. Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB –). In objektiver Hinsicht ist hierfür eine Vermögensverschiebung erforderlich, d. h. eine Vermögensminderung auf der Seite des ...