vorläufig nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf: Anforderungen an das Merkmal der regelmäßigen, nicht unwesentlichen Betreuung
Leitsatz (redaktionell)
- Nach der Rechtsprechung des BFH kann das Merkmal einer regelmäßigen Betreuung insbesondere dann als erfüllt angesehen werden, wenn sich ein minderjähriges Kind entsprechend eines - üblicherweise für einen längeren Zeitraum im Voraus festgelegten - weitgehend gleichmäßigen Betreuungsrhythmus tatsächlich in der vereinbarten Abfolge bei dem Elternteil, bei dem es nicht gemeldet ist, aufhält.
- Bei einem zeitlichen Betreuungsanteil von jährlich durchschnittlich 10 % ist im Regelfall das Merkmal einer Betreuung in einem „nicht unwesentlichen Umfang“ als erfüllt anzusehen, wobei weitere Indizien in diesem Fall im Übrigen regelmäßig vernachlässigt werden können (Anschluss an BFH, Urteil vom 8. November 2017 III R 2/16, BFHE 260, 103, BStBl. II 2018, 266).
- Einzelne Betreuungstrage zählen bei dieser zeitlichen Betrachtung auch dann mit, wenn die Betreuung nicht die vollen 24 Stunden eines Tages umfassen. Dies gilt jedenfalls für den Fall, dass die Betreuungszeit deutlich mehr als 12 Stunden beträgt und über reine Besuchszwecke deutlich hinausgeht (im Streitfall: jeweils an Wochenenden von Samstag 10.00 Uhr bis Sonntag 16.00 Uhr).
- Selbst wenn der zeitliche Betreuungsanteil die Wesentlichkeitsgrenze von 10 % unterschreitet, kann sich aus den Umständen ergeben, dass der Betreuungsanteil auch in diesem Fall als nicht unwesentlich anzusehen ist (im Streitfall: große Entfernung zwischen Wohnorten des Kindesvaters und der Kindesmutter).
Normenkette
EStG § 32 Abs. 6 S. 9
Streitjahr(e)
2016, 2017
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger seinen bei seiner geschiedenen Ehefrau lebenden Sohn A regelmäßig in einem nicht unwesentlichen betreut und damit Anspruch auf die Berücksichtigung eines Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag) i. H. v. 1.320 € gemäß § 32 Abs. 6 Satz 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat.
Der Kläger ist Arbeitnehmer und wird in den Streitjahren 2016 und 2017 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er lebt in I. Sein Sohn A lebt bei der Kindesmutter, der geschiedenen Ehefrau (Beigeladene) in O. Ein BEA-Freibetrag für seinen Sohn A wurde in den Einkommensteuerbescheiden vom 19. Juni 2018 nicht berücksichtigt, weil die Beigeladene beantragt hatte, diesen auf sie zu übertragen.
Hiergegen wendete sich der Kläger mit seinen Einsprüchen vom 26. Juni 2018. Zur Begründung trug er vor, dass er der Übertragung des BEA-Freibetrags widerspreche. Entsprechend dem Beschluss des Amtsgerichts V vom 17. Februar 2015 habe er seinen Sohn jedes zweite Wochenende, beginnend am 28. Februar 2015/ 1. März 2015 jeweils samstags um 10 Uhr bei der Kindesmutter abgeholt und ihn jeweils sonntags um 16 Uhr wieder zurückgebracht. Zusätzlich habe er ihn Ostern und Weihnachten abgeholt.
Mit Einverständnis des Klägers zog der Beklagte die Kindesmutter, die Beigeladene …, zum Einspruchsverfahren hinzu. Sie teilte im Einspruchsverfahren mit, dass nach ihrer Berechnung der Kläger sich weniger als 10 % im jeweiligen Kalenderjahr um seinen Sohn gekümmert habe. In den Ferien sei A immer zu Hause oder bei der Oma gewesen. Vom 7. Juli 2016 bis 23. Juli 2016 sei der Kindesvater urlaubsbedingt verhindert gewesen. Vom 10. September bis 11. September 2016 bzw. 8. Oktober bis 9. Oktober 2016 sei A krank zu Hause gewesen. Am 22. Oktober 2016 sei sie mit A wegen einer Therapiestunde verhindert gewesen. Weihnachten 2016 sei A zu Hause geblieben. Ostersonntag 2016 sei A ebenfalls nicht abgeholt worden. Zu einer Betreuung von A in den Ferien für eine Woche sei es ebenfalls nicht gekommen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Stellungnahme der Beigeladenen vom 5. September 2018 Bezug genommen.
Diese Stellungnahme der Beigeladenen wurde dem Kläger zur Kenntnis gebracht. Daraufhin reichte der Kläger mit Schreiben vom 29. November 2018 zwei Jahreskalender ein, in denen er die Betreuungswochen markiert habe. Er wies darauf hin, dass es keine nächtlichen Unterbrechungen gegeben habe. Dieses sei auch der Umgangsregelung lt. vorliegenden Gerichtsbeschluss zu entnehmen. Danach habe er sich im Jahr 2016 45 Tage und im Jahr 2017 55 Tage um A gekümmert. Er habe seinen Sohn in einem gleichbleibenden Betreuungsrhythmus tatsächlich in der vereinbarten Abfolge mit einem Betreuungsanteil von mehr als 10 % betreut und somit nicht unwesentlich zu seiner Betreuung beigetragen.
Gleichwohl hatte der Einspruch keinen Erfolg. Der Beklagte folgte dabei der Einschätzung der Beigeladenen, dass der Kläger einen erheblichen Betreuungsanteil von mindestens 10 % nicht nachgewiesen habe.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 2018 Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Zur Begründung trägt der Kläger Folgendes vor: Er widersprec...