rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für Legasthenie-Behandlung als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
- Aufwendungen eines Unterhaltspflichtigen für die Behandlung eines Kindes, dessen Lese- und Rechtschreibfähigkeit beeinträchtigt ist, können nur dann als Krankheitskosten gem. § 33 EStG berücksichtigt werden, wenn die Lese- und Rechtschreibschwäche im konkreten Fall eine Krankheit darstellt und wenn die Aufwendungen zum Zweck ihrer Heilung oder Linderung getätigt werden. Denn eine Lese- und Rechtschreibschwäche stellt nicht in jedem Falle eine Krankheit dar.
- Ob eine Krankheit im vorgenannten Sinne gegeben ist, ist durch ein rechtzeitiges amtsärztliches Gutachten nachzuweisen.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1
Streitjahr(e)
2001
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist streitig, ob Aufwendungen für die Behandlung der Legasthenie ihres Kindes als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.
Die Kläger beantragten, die Kosten für eine Förderungsmaßnahme bei dem Lehrinstitut für Orthografie und Schreibtechnik in X im Bereich der Lese- und Schreibschwäche für das Kind als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Es handelt sich dabei um Kosten für den Förderunterricht in Höhe von 3.456,00 DM sowie Kosten für 80 Fahrten x 1,16 DM x 26 km, insgesamt Fahrtkosten 2.412,80 DM.
Das Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen zunächst unter der Auflage, dass ein vor Beginn der Maßnahme ausgestelltes amtsärztliches Attest vorgelegt wird, aus dem hervorgeht, dass die Lese- und Rechtschreibschwäche Krankheitswert habe. Es erließ sodann einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung stehenden Einkommensteuerbescheid für 2001.
Die Kläger legten darauf eine Bescheinigung des Lehrinstituts vor (Blatt 35 der Einkommensteuerakte 2001), aus der hervorgeht, dass das Kind an 80 Förderterminen an einem Förderunterricht für lese- und schreibschwache Schüler teilgenommen hat.
Das Finanzamt änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid 2001 gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung und berücksichtigte die Aufwendungen nun nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen, da ein vor Beginn der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Attest nicht vorgelegt worden war.
Im Einspruchsverfahren legten die Kläger sodann eine amtsärztliche Bescheinigung aus dem Jahr 2003 vor. Aus dieser geht hervor, dass bei dem Kind eine Lese- und Rechtschreibschwäche besteht. Zudem sei der im Rahmen der Schule angebotene Förderunterricht zur Behebung der bestehenden Defizite nicht ausreichend. Die Teilnahme am lerntherapeutischen Angebot des Lehrinstituts für Orthografie und Schreibtechnik von Januar 2000 bis Dezember 2001 war danach dringend erforderlich, um die Lese- und Rechtschreibleistungen soweit zu fördern, wie es seiner allgemeinen Lern- und Leistungsfähigkeit entspreche, damit der weitere schulische Werdegang nicht beeinträchtigt werde.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Nach Ansicht der Kläger ist die Rechtsprechung, wonach eine amtsärztliche Bescheinigung vor Beginn der Behandlung ausgestellt werden müsse, nicht überzeugend. Eine solche Einschränkung von Beweismitteln sehe die Rechtsordnung nicht vor. Es liege eine verfassungsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung vor, da in anderen Verfahrensordnungen eine derartige Einschränkung nicht vorgenommen werde.
Der Beklagte ist der Rechtsauffassung, die Berücksichtigung der Aufwendungen setze voraus, dass die Lese- und Rechtschreibschwäche im Streitfall eine Krankheit darstelle und die Aufwendungen zum Zwecke ihrer Heilung oder Linderung getätigt worden seien. Ob im Einzelfall eine Krankheit vorliege, müsse durch Vorlage eines vor Einleitung derartiger Maßnahmen erstellten amtsärztlichen Attestes nachgewiesen werden. Im Streitfall sei die amtsärztliche Bescheinigung erst am 11.09.2003 und damit nach Beginn der Maßgabe erstellt worden. Die im Kalenderjahr 2000 geltend gemachten Aufwendungen für die Fördermaßnahmen seien bereits deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Das Finanzamt hat zutreffend die Aufwendungen für die Behandlung der Lese- und Rechtschreibschwäche des Kindes nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigt.
Lese- und Rechtschreibschwäche nicht immer eine Krankheit
Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Krankheitskosten erwachsen einem Steuerpflichtigen im Sinne dieser Vorschrift regelmäßig zwangsläufig, weil er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann. Sie gehören aber nur dann zu den nach § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Aufwendungen, wenn sie zum Zweck der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel gemacht werden, die Krankheit erträglicher zu machen (BFH-Ur...