Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuer: Kürzung des Freibetrags nach § 16 Abs. 2 ErbStG ist europarechtskonform
Leitsatz (redaktionell)
Die anteilige Kürzung des persönlichen Freibetrages in der Erbschaftsteuer bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht auf inländisches Vermögen (§16 Abs.2 ErbStG) steht mit der europarechtlich verankerten Kapitalverkehrsfreiheit im Einklang.
Normenkette
AEUV Art. 63, 65 Abs. 1a; DBA CHE Art. 5; ErbStG 1997 § 16 Abs. 1-2, § 2 Abs. 1 Nr. 3; GG Art. 14, 6
Streitjahr(e)
2017, 2018, 2019, 2020
Tatbestand
Streitig ist, ob die seit Juni 2017 gesetzlich vorgesehene (nur) teilweise Berücksichtigung der Freibeträge nach § 16 Abs. 1 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in Fällen der beschränkten Steuerpflicht (§ 16 Abs. 2 ErbStG) mit der europarechtlich verankerten Kapitalverkehrsfreiheit im Einklang steht.
Die in der Schweiz ansässigen Kläger sind zu je ½ Erben nach ihrer ebenfalls in der Schweiz lebenden Mutter geworden. Der Nachlass bestand aus in- und ausländischem Vermögen. Der beschränkten Besteuerung in Deutschland unterlag – unstreitig – zuletzt Grund- und Betriebsvermögen im Wert von rund 1,5 Mio. €.
Im Rahmen der jeweils gesonderten Festsetzungen der Erbschaftsteuer für die beiden Kläger ließ das FA zunächst jeweils 19,4% des Freibetrages von 400.000 € zum Abzug zu. Die festgesetzte Erbschaftsteuer betrug jeweils … €. Gegen die Kürzung der Freibeträge richtet sich nach erfolglosen Einsprüchen die Klage.
Während des Klageverfahrens änderte das FA die Bescheide zunächst aufgrund geänderter Grundlagenbescheide zulasten der Kläger und erhöhte die festgesetzte Erbschaftsteuer. Nachdem die Kläger im Klageverfahren erstmals geltend machten, dass sich unter dem besteuerten Vermögen auch nach § 13d ErbStG begünstigtes Vermögen befinde, änderte das FA die Bescheide erneut und setzte die Erbschaftsteuer auf jeweils 89.535 € herab. Die Berechnung des Wertes des im Inland steuerpflichtigen Erwerbes von Todes wegen ist dadurch unstreitig geworden.
Die Kläger sind weiterhin der Ansicht, ihnen stehe auch als nur beschränkt Steuerpflichtigen der volle Freibetrag zu. Ebenso wie die vorherige Rechtslage nach dem alten § 16 Abs. 2 ErbStG stehe auch die aktuelle Rechtslage im Widerspruch zur Kapitalverkehrsfreiheit innerhalb der EU und gegenüber Angehörigen von Drittstaaten. Der EuGH habe mehrfach deutlich gemacht, dass jede Diskriminierung auch im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung rechtswidrig sei. Nur ein voller Abzug der national vorgesehenen Freibeträge für Erben – hier 400.000 € je Kläger – sei europarechtlich zulässig. Dies werde auch in der Fachliteratur so vertreten.
Die Kläger beantragen,
den gegenüber der Klägerin zu 1) erlassenen Erbschaftsteuerbescheid vom … in Gestalt des Einspruchsbescheides vom … und der Änderungsbescheide vom … und … dahingehend zu ändern, dass die Erbschaftsteuer unter Berücksichtigung des vollen persönlichen Freibetrages in Höhe von 400.000 € nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG niedriger festgesetzt wird und
den gegenüber der Klägerin zu 2) erlassenen Erbschaftsteuerbescheid vom … in Gestalt des Einspruchsbescheides vom … und der Änderungsbescheide vom … und … dahingehend zu ändern, dass die Erbschaftsteuer unter Berücksichtigung des vollen persönlichen Freibetrages in Höhe von 400.000 € nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG niedriger festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält daran fest, dass die neue Rechtslage zutreffend angewandt worden sei und der Gesetzgeber dies für eine mit dem Europarecht im Einklang stehende Regelung ansehe. Eine abweichende Steuerfestsetzung komme deshalb im Streitfall nicht in Betracht.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide entsprechen der nationalen Rechtslage des § 16 Abs. 2 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) und diese gesetzliche Regelung ist zugleich nicht europarechtswidrig im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) insbesondere zur Kapitalverkehrsfreiheit, so dass die Bescheide die Kläger nicht in ihren Rechten verletzen.
1. Anwendung des nationalen Rechts
Das FA hat in den zuletzt geänderten Erbschaftsteuerbescheiden den beschränkt steuerpflichtigen inländischen Erwerb – unstreitig – jeweils mit 1.423.841 € bemessen, jeweils den anteiligen Freibetrag nach dem Verwandtschaftsgrad nach §§ 16 Abs. 1, 2 ErbStG mit 18,49% oder 73.980 € nach der nachstehenden Formel
Ausländisches Vermögen (unstr.) |
5.958.653 € |
81,51% |
326.020 € |
Inländisches Vermögen (unstr.) |
1.352.125 € |
18,49% |
73.980 € |
Nachlass insgesamt (unstr.) |
7.467.448 € |
100,00% |
400.000 € |
zum Abzug zugelassen und die Erbschaftsteuer auf jeweils 89.535 € festgesetzt. Die nach nationalem Erbschaftsteuerrecht festzusetzende Erbschaftsteuer ist insoweit rechnerisch unstreitig.
Soweit die Kläger hingegen eine Erhöhung des abziehbaren Freibetrages auf jeweils 400.000 € und damit eine Herabsetzung der festzusetzenden Erbschaftsteuer nunmehr auf jeweils 29.788 € begehren, bietet das ...