Erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht

Hintergrund: Persönliche Steuerpflicht
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG tritt die Steuerpflicht in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG, wenn der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer ein Inländer ist, für den gesamten Vermögensanfall ein (unbeschränkte Steuerpflicht). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG gelten als Inländer auch deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben.
Sachverhalt: Erwerb eines in der Schweiz belegenen Grundstücks
Der Kläger erwarb von seiner Mutter im Dezember 2011 ein in der Schweiz belegenes Grundstück gegen Bestellung eines hinter dem Wert des Grundstücks zurückbleibenden sog. lebenslänglichen Nutzniessungsrechts nach Schweizer Recht. Der Kläger und seine Mutter, die beide deutsche Staatsangehörige waren, hatten vor der Übertragung ihre Wohnsitze in der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben und waren im November 2011 in die Schweiz verzogen.
Nachdem die Mutter des Klägers 2013 verstorben war, setzte der Kläger als deren Alleinerbe das Finanzamt im Rahmen des Erbschaftsteuerverfahrens von dem schenkweisen Erwerb des Grundstücks in Kenntnis. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 08.12.2017 Schenkungsteuer für den Grundstückserwerb fest.
Einspruch war nur zum Teil erfolgreich
Auf den Einspruch des Klägers hin setzte das Finanzamt die Schenkungsteuer mit Bescheid vom 27.03.2018 im Hinblick auf eine Neubewertung des Nutzniessungsrechts herab; im Übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg.
Klage wurde abgewiesen
Mit seiner Klage vor dem FG machte der Kläger im Wesentlichen geltend, die erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Buchst. b ErbStG sei verfassungs- und unionsrechtswidrig. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung: Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:
- Die sog. erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es handelt sich nicht um eine nachrangige Ausnahme, die unter Folgerichtigkeitsaspekten einer erhöhten Rechtfertigung bedürfte.
- Die Einbeziehung der deutschen Staatsangehörigen mit Auslandswohnsitz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG in die unbeschränkte Steuerpflicht gehört zur Bestimmung des Umfangs des Steuergegenstands, der dem Gesetzgeber weiten Gestaltungsspielraum eröffnet.
- Dem Gesetz lässt sich keine Grundentscheidung entnehmen, wonach als Inländer i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG zunächst und vorrangig nur natürliche Personen gelten sollen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG). § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG und § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c ErbStG enthalten vielmehr weitere Tatbestände, bei denen der Gesetzgeber einen besonderen Inlandsbezug unterstellt.
- In Anbetracht der somit weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der unbeschränkten Schenkungsteuerpflicht erweist sich die konkrete Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG als sachgerecht und nicht willkürlich.
- Dass der Gesetzgeber eine unbeschränkte Steuerpflicht grundsätzlich ohne verfassungsrechtliche Bedenken (jedenfalls auch) an die Staatsangehörigkeit knüpfen darf, ist anerkannt. Im Falle der erweiterten unbeschränkten Schenkungsteuerpflicht kommt hinzu, dass der Gesetzgeber diese Steuerpflicht nicht alleine an die Staatsangehörigkeit geknüpft hat, sondern die Steuerpflicht zusätzlich auf einen Zeitraum von fünf Jahren beschränkt hat, in dem kein inländischer Wohnsitz bestanden hat.
- Die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Buchst. b ErbStG geregelte erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht leidet auch nicht an einem mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren strukturellen Erhebungs- und Vollzugsdefizit.
- Es liegt auch keine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG unter dem Aspekt der Ausreisefreiheit vor.
- Die erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verstößt auch nicht gegen Unionsrecht. Eine Verletzung der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) ist nicht gegeben. Diesbezüglich ist die Rechtslage durch die Rechtsprechung des EuGH bereits geklärt, sodass es der Einholung einer Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV nicht bedarf.
BFH Urteil vom 12.10.2022 - II R 5/20 (veröffentlicht am 19.01.2023)
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