rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Familienleistungsausgleich 2002-2004 verfassungsgemäß

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Familienleistungsausgleich für die Jahre 2002 bis 2004 ist verfassungsgemäß.
  2. Der Staat ist nach Art. 20 GG nur verpflichtet, die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger zu gewährleisten. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Leistungen hat der Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum, in welchem Umfang er Sozialleistungen gewähren will. Dieser Spielraum ist mit dem gesetzlich vorgesehenen Kindergeld eingehalten.
 

Normenkette

GG Art. 6, 20; EStG §§ 31, 66 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2002, 2003, 2004

 

Tatbestand

Streitig ist die Kindergeldfestsetzung für die Jahre 2002 bis 2004.

Die Klägerin bezog für ihren am 22. Juni 2001 geborenen Sohn T. Kindergeld in Höhe des nach § 66 Einkommensteuergesetz (EStG)vorgesehenen Betrages von 154,00 € monatlich. Gegen die Kindergeldfestsetzung legte die Klägerin mit der Begründung Einspruch ein, das gesetzlich vorgesehene Kindergeld sei zu niedrig, da das Existenzminimum des Kindes im Einzelfall nicht abgedeckt werde. § 66 EStG verstoße deshalb gegen das Grundgesetz – GG –.Mit Einspruchsbescheid vom 1. September 2004 wies die Agentur für Arbeit – Familienkasse  – den Einspruch als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat Klage erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt:

Nach § 31 EStG werde das Kindergeld – soweit es nicht zur Sicherstellung des steuerfreien Existenzminimums erforderlich sei – als Sozialleistung gezahlt. Steuerrechtlich dürfe das Existenzminimum nicht besteuert werden. Hieraus könne – soweit das Kindergeld als Sozialleistung gezahlt werde – gefolgert werden, dass durch das Kindergeld zumindest das Existenzminimum des Kindes abgesichert sein müsse. Diesen Voraussetzungen genüge § 66 EStG nicht.

Bei einem Spitzensteuersatz von 48,5 % und einem verfassungsgemäßen Existenzminimum von 6.545,00 € errechne sich ein jährliches Kindergeld i.H.v. 3.175,00 € bzw. 265,00 € monatlich. Das steuerliche Existenzminimum betrage für das Kalenderjahr 2002 beispielsweise 5.808,00 € (Kinderfreibetrag, Ausbildungs- und Betreuungsfreibetrag). Bei einem Spitzensteuersatz von 48,5 % bedeute dies, dass mindestens ein Kindergeld i.H.v. 2.817,00 € oder 235,00 € monatlich angemessen sei. Das tatsächliche Existenzminimum betrage dagegen nach einer Berechnung des Deutschen Familienverbandes 6.545,00 €. Unter Berücksichtigung eines gesetzlichen Kindergeldanspruches i.H.v. 1.848,00 € pro Jahr folge daraus, dass der Mindestbedarf eines Kindes lediglich zu 28 % durch das gesetzliche Kindergeld abgedeckt werde.

Tatsächlich sei jedoch das von den Eltern für den Unterhalt des Kindes aufzubringenden Leistungen höher als die vom Deutschen Familienverband zugrunde gelegte Summe. Die tatsächlichen Kinderbetreuungskosten beliefen sich auf durchschnittlich 2.699,00 € zu dem das sogenannte sächliche Existenzminimum des Kindes i.H.v. 3.648,00 € hinzuzurechnen sei. Die Verpflichtung des Staates, die finanzielle Belastung der Familien auszugleichen, ergebe sich aus Artikel 20 GG. Die Verschlechterung der finanziellen Lage von Familien mit Kindern bzw. Alleinstehenden mit Kindern führe zu einer Verarmung der Gesellschaft, insbesondere der Familien, in deren Folge die Geburtenrate stetig absinke. Der Förderbedarf aus Artikel 20 und 6 GG liege darin, Familien mit Kindern so zu stellen, dass sie letztlich mit dem Existenzminimum der Familienleistungsausgleichsförderung eines Steuerpflichtigen gleichgestellt würden, bei dem die Absicherung des Existenzminimums über den Kinderfreibetrag erfolge. Zwar ergebe sich aus Artikel 20 GG kein unmittelbarer Rechtsanspruch auf Förderungsleistungen, jedoch seien die Abwägungen des Gesetzgebers hinsichtlich der Ausgestaltung von Sozialleistungen unter verfassungsrechtlichen Maßstäben zu prüfen. Durch die derzeitige Regelung werden die Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit gestört. Diese sei für Familien nicht mehr sichergestellt, da sie finanziell deutlich schlechter stünden als Steuerpflichtige ohne Kinder. Die Einschränkungen und der Mehraufwand mit den Kindern für Eltern und die Familien zur Folge hätten, seien Bestandteil der Familie als Erziehungs- und Wirtschaftsgemeinschaft und deshalb unter den Schutz von Art. 6 GG zu stellen. Der diesbezügliche Spielraum des Gesetzgebers habe sich unter Berücksichtigung des fortschreitenden sozialen Abstiegs der Familien und der ungünstigen demografischen Entwicklung der Gesellschaft eingeengt. Diesen sich aus Art. 6 GG ergebenden Anspruch habe der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des Familienleistungsausgleichs nicht erfüllt.

Die Klägerin beantragt,

das Kindergeld für die Jahre 2002-2004 in Höhe von monatlich 265,00 € festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Kindergeld für die Streitjahre entsprechend den gesetzlichen Regeln festgesetzt und gezahlt worden sei. Die dem zugrunde liegende Vorschrift des § 66 Abs. 1 EStG verstoß...

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