vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wegen verweigerter Durchsuchung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Es bestehen Zweifel, ob § 284 Abs. 1 Nr. 3 AO den verfassungsrechtlichen Vorgaben (Art. 13 Abs. 2 GG) genügt, wonach die Durchsuchung einer Wohnung grundsätzlich der Anordnung eines Richters bedarf.
  2. Bei Erlass der in ihr Ermessen gestellten Vollstreckungsmaßnahmen hat die Vollstreckungsbehörde den mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
  3. Die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wegen verweigerter Durchsuchung ist ermessenswidrig, wenn sich das FA anlässlich einer kurz zuvor erfolgten Durchsuchung davon hätte überzeugen können, ob eine Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners überhaupt Erfolg haben kann.
 

Normenkette

AO § 284 Abs. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Anordnung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.

Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) erließ 2006 – im Anschluss an Betriebsprüfungen – geänderte Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume ab 1997. Daraus ergaben sich Abgabenforderungen, die ausweislich der Aufstellung der Forderungen vom 26. Februar 2007 (Bl. 35 f der Vollstreckungsakten) 278.862 € betrugen. Über die Rechtmäßigkeit dieser Steuerfestsetzungen besteht Streit zwischen den Beteiligten. So ist beim Niedersächsischen Finanzgericht unter dem Aktenzeichen … eine Klage wegen Einkommensteuer 1997 bis 2001 anhängig. In dem weiteren Verfahren … hat der Kläger die Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2005 angefochten. Die Vollziehung der strittigen Steuerbescheide ist überwiegend ausgesetzt.

Die in Vollstreckung befindlichen Abgabenforderungen des Beklagten betrugen am 12. August 2008 – zum Zeitpunkt des Ergehens der angefochtenen Einspruchsentscheidung – 30.165 €. Es handelt sich dabei ausschließlich um Rückstände zur Einkommensteuer 1999 sowie dazugehöriger Kirchensteuer und steuerlicher Nebenleistungen.

Das Erhebungsverfahren nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

Der Beklagte forderte den Kläger am 30. November 2006 auf, vollziehbare Rückstände zur Einkommensteuer 1997 bis 2003 in Höhe von 84.096 € zu zahlen, und pfändete anschließend wegen dieser Abgabenrückstände gegenüber der H. erfolglos eine Lebensversicherung. Wegen Rückständen zur Einkommensteuer von 66.708 € brachte das FA gegenüber der Sparkasse S. und der X-GmbH am 22. März 2007 Pfändungs- und Einziehungsverfügungen aus. Am 2. April 2007 stundete es diese Abgaben bis 13. September 2007 und hob die beiden Pfändungen auf. Die Stundung wurde später bis 13. März 2008 verlängert. Wegen Umsatzsteuerrückständen in Höhe von 15.294 € pfändete der Vollziehungsbeamte am 24. Januar 2008 den BMW mit dem Kennzeichen … durch Anbringen einer Parkkralle. Nach Vorlage eines Vertrages, durch den der Kläger das Fahrzeug seiner Tochter T. sicherungsübereignet habe, hob die Finanzbehörde die Pfändung wieder auf. Der Beklagte verlängerte am 31. März 2008 die Stundung von Abgaben in Höhe von rund 35.000 € bis zum 13. Juni 2008. Wegen vollstreckbarer Forderungen von 36.049 € brachte er am 21. Mai 2008 gegenüber der Sparkasse S. eine Kontopfändung aus, die nach Aktenlage keinen Erfolg hatte.

Am 29. Mai 2008 verweigerte der Kläger dem zur Vollstreckung von Abgaben in Höhe von 36.021 € erschienen Vollziehungsbeamten die Durchsuchung seines Besitztums. Als Grund seiner Weigerung gab er an, dass den Abgabenforderungen des Beklagten künftige Einkommensteuererstattungsansprüche für 2000 bis 2004 gegenüberstünden. Dem ebenfalls anwesenden Vollstreckungssachbearbeiter übergab er einen schriftlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung und zinslose Stundung der Einkommensteuer 1998 und 1999. Der Vollstreckungssachbearbeiter erläuterte dem Vollstreckungsschuldner, sein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 13. April 2008 sei durch den Teilaussetzungsbescheid vom 5. Mai 2008 beschieden worden. Einen Rechtsbehelf habe er hiergegen nicht erhoben. Zur Begründung des neuerlichen Aussetzungsantrags nehme er lediglich Bezug auf den bereits beschiedenen Antrag. Die zur Entscheidung berufene Sachbearbeiterin habe demzufolge den Antrag telefonisch abgelehnt. Der Vollstreckungssachbearbeiter habe diese Entscheidung dem Kläger übermittelt. Eine technische Stundung im Hinblick auf behauptete Gegenforderungen aus den begehrten Einkommensteueränderungsbescheiden 2000 bis 2004 komme – über die mit Bescheid vom 31. März 2008 bereits gestundeten 17.669 € hinaus – nicht in Betracht. Insoweit habe der Vollstreckungssachbearbeiter den Antrag abgelehnt. Die Vollziehung der durch Klage (2000 und 2001) bzw. Einspruch (2002 und 2003) angefochtenen Einkommensteuerbescheide sei in vollem Umfang ausgesetzt. Ob sich darüber hinaus wegen anrechenbarer Lohnsteuer Erstattungsansprüche in Höhe der geschuldeten Abgaben von 33.098 € ergeben...

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