rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufliche Veranlassung eines Umzuges; Umzugskosten; Fahrzeitverkürzung; Maklergebühren; Arbeitsplatzwechsel
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Umzug kann auch ohne Arbeitsplatzwechsel beruflich veranlasst sein, wenn er erfolgt, um die Fahrzeit zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erheblich zu verkürzen. Bei einer Fahrzeitverkürzung von mehr als 1 Stunde ist das zu bejahen.
- Wird der einmal gefasste Entschluss zur Fahrzeitverkürzung später durch andere private Motive überlagert, so sind diese unbeachtlich, denn die Wahl einer Wohnung und die Entscheidung, ob der Lebenspartner ebenfalls Mieter der Wohnung wird, beruhen stets auf privaten Überlegungen.
- Die erhebliche Fahrzeitverkürzung stellt ein objektives und sachgerechtes Abgrenzungskriterium für die beruflich motivierte Veranlassung des Umzugs dar.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1, § 12 Nr. 1 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Umzugskosten der Klägerin als Werbungskosten bei deren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.
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Die Klägerin wohnte bis Ende Februar 1993 in einer Mietwohnung in G (92 qm, 3 Zimmer) und suchte von dort ihre Arbeitsstelle in H auf. Ab Herbst 1992 hat sie sich über einen Makler um eine Mietwohnung in der näheren Umgebung ihrer Arbeitsstätte in H bemüht. Der Kläger wohnte in H. Ende 1992 (Silvester) haben sich die Kläger kennengelernt. Am 29.01.1993 haben sie gemeinsam eine Wohnung in H (116 qm, 4 Zimmer) gemietet, die sie seit dem 01.03.1993 gemeinsam bewohnen. Am 07.10.1993 haben die Kläger geheiratet. Aufgrund des Umzugs nach H ist die Fahrzeit der Klägerin von und zur Arbeitsstätte arbeitstäglich von mehr als einer Stunde entfallen.
In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 1993 machte die Klägerin folgende Umzugskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten geltend:
Inseratskosten für Nachfolgemieter (2 x 52 DM) |
104 DM |
Maklergebühren für die neue Wohnung |
3.657 DM |
Möbeltransport |
1.960 DM |
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5.721 DM |
Die Rechnung des Maklers war an beide Kläger adressiert.
Das beklagte Finanzamt (der Beklagte) setzte durch Bescheid vom 14.11.1994 die Einkommensteuer auf 94.984 DM fest. Dabei blieben die Umzugskosten unberücksichtigt, weil der Umzug nicht beruflich veranlaßt gewesen sei. Durch den gemeinsamen Bezug der Wohnung sei vielmehr die private Lebensführung betroffen gewesen. Die werde durch die spätere Heirat der Kläger bestätigt.
Hiergegen richtet sich nach erfolglos gebliebenen Vorverfahren die Klage.
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Zur Begründung der Klage wird im wesentlichen vorgetragen: Der Umzug der Klägerin nach H sei beruflich veranlaßt gewesen. Die Fahrtzeit der Klägerin zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sei durch den Umzug arbeitstäglich um mehr als eine Stunde verkürzt worden. Der gemeinsame Bezug der Wohnung stehe einer Anerkennung der Umzugskosten als Werbungskosten nicht entgegenstehen. Die Wohnung in G mit der Dachterrasse, einem Kamin, einer Einbauküche und einem Tiefgarageneinstellplatz sei weit komfortabler gewesen, als die Wohnung in H. Außerdem sei bei dem gemeinsamen Bezug der Wohnung eine Heirat der Kläger noch nicht absehbar gewesen, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch in 1. Ehe verheiratet gewesen sei.
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Der Beklagte erwidert:
Die Umzugskosten seien der privaten Lebensführung zuzuordnen. Die Fahrzeitverkürzung stelle lediglich ein Indiz für die berufliche Veranlassung dar. Für die Feststellung der beruflichen Veranlassung seien jedoch die Gesamtumstände entscheidend. Im Streitfall hätten private Gründe keine nur untergeordnete Rolle gespielt, weil der Umzug in die gemeinsame Wohnung im ursächlichen Zusammenhang mit der Gründung einer Lebensgemeinschaft mit anschließenden Eheschließung stehe. Daß die Lebensgemeinschaft auch in der Wohnung in G hätte gegründet werden können, sei unerheblich.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet, weil der Umzug der Klägerin nach H als beruflich veranlaßt anzusehen ist. Dementsprechend sind die Umzugskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin zu berücksichtigen.
Das Bewohnen einer Wohnung am Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen ist zwar grundsätzlich seinem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Aufwendungen für einen Umzug in eine solche Wohnung gehören daher grundsätzlich zu den gemäß § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG nichtabziehbaren Kosten der allgemeinen Lebensführung. Indes stellen Umzugskosten Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) dann dar, wenn der Umzug beruflich veranlaßt ist. Die Berufsausübung muß somit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel bilden und private Gründe dürfen nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben (ständige Rechtsprechung, s. Schmidt/Drenseck, EStG, 18. Aufl., § 19 Tz 60, Stichwort “Umzugskosten” m.w.N.). Eine berufliche Veranlassung ist in aller Regel gegeben, wenn der Umzug die Folge eines Arbeitsplatzwechsels ist. Der Umzug kann aber auch ohne Arbeitsplatzwechsel beruflich veranlaßt sein, wen...