Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitsbewertung und Grundsteuermeßbetrags auf den 01.01.1991
Tenor
Die Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheide vom 29.11.1991 und vom 29.06.1993 sowie der Einspruchsbescheid vom 29.06.1993 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Geldbetrages in Höhe der an den Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, sofern dieser nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Höhe des Einheitswertes. Dabei geht es allein um die Frage, ob die im Mietspiegel des Beklagten (Finanzamt, FA) ausgewiesene Miete für freifinanzierten nicht preisgebundenen Wohnraum den Marktverhältnissen des Hauptfeststellungszeitpunktes 1. Jan. 1964 gerecht wird.
Das streitbefangene Grundstück liegt in B. … Es ist mit einem Mietwohnhaus bebaut, das im Jahre 1971 bezugsfertig wurde und fünf Wohnungen enthält. Die Wohnungen sind – soweit möglich – vermietet. Die gesamte Wohnfläche beträgt 536 qm, ferner sind drei Garagen vorhanden.
Auf den 01.01.1974 bewertete das FA das Grundstück als „Mietwohngrundstück” und setzte den Einheitswert auf 230.200 DM fest. Das FA war dabei von einer Miete von 3 DM/qm für die Wohnungen und von zusammen 720 DM für die drei Garagen ausgegangen; die Miete hatte es seinem Mietspiegel (gute Ausstattung, steuerbegünstigte Wohnungen) entnommen.
Auf den 01.01.1991 führte das FA durch den angefochtenen Bescheid eine fehlerberichtigende Wertfortschreibung gem. § 22 Abs. 3 Bewertungsgesetz (BewG) durch. Dabei ging es von einem Mietwert von 4,20 DM/qm aus. Diesen Betrag ermittelte das FA, indem es seinem Mietspiegel die Miete für „frei finanzierten Wohnraum bei guter Ausstattung” (Klasse IV g) entnahm und hierzu einen Zuschlag von 10 v.H. machte. Das führte zu einem Einheitswert von 285.300 DM.
Im Einspruchsverfahren verzichtete das FA auf den Zuschlag von 10 v.H. und setzte nur noch die Miete gem. Klasse IV g des Mietspiegels in Höhe von 3,85 DM/qm, Dadurch ermäßigte sich der Einheitswert auf 262.200 DM.
Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger (Kl.) trägt vor:
In dem kleinen Ort … habe die Miete für fremdgenutzte Wohnungen bei Mietbeginn rd, 2,50 DM/qm betragen. Höhere Quadratmetermieten seien seinerzeit nicht durchsetzbar gewesen und hätten nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprochen. Inzwischen habe sich die Lage eher noch verschlechtert. Die öffentlichen Verkehrsverbindungen nach … seien extrem schlecht, Ältere Leute hätten kein Interesse mehr daran; dort zu wohnen, Die Wohnungen des streitigen Grundstücks seien kaum noch vermietbar, eine Wohnung stehe seit langer Zeit leer.
Der Kl. beantragt,
den Einheitswertbescheid Wertfortschreibung auf den 01.10.1991 vom 29. Nov. 1991 – geändert durch Bescheid vom 29. Juni 1993 – und die Grundsteuermeßbescheide auf den 01.01.1991 vom 29.11.1991 und 29.06.1993 und den Einspruchsbescheid vom 29. Juni 1993 aufzuheben und den Einheitswert nach einer Monatsmiete von 2,50 DM/qm und den Grundsteuermeßbescheid entsprechend niedriger festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es trägt vor:
Es habe die Miete der Klasse IV g seinem Mietspiegel entnehmen müssen. Nach Auslauf der Grundsteuervergünstigung und der Mietpreisbindung handele es sich um „frei finanzierten” Wohnraum entsprechend Klasse g des Mietspiegels. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gebe der Mietspiegel die am Hauptfeststellungsstichtag 01.01.1964 maßgebliche Miete zutreffend wieder. Es habe keine Möglichkeit, hiervon abzuweichen, Konkrete Vergleichsmieten seien nicht vorhanden und seinerzeit bei der Aufstellung der Mietspiegelgruppe g auch nicht vorhanden gewesen.
Der Berichterstatter hat das Grundstück am 5. September 1996 besichtigt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll – vom selben Tage – (Bl. 54–55 FG-Akte) Bezug genommen.
Im übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die vorgelegten Steuerakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet.
Nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 BewG wird der Einheitswert eines Grundstück neu festgestellt (Wertfortschreibung), wenn der Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, vom Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunktes nach oben um mehr als den 10, Teil, mindestens aber um 5.000 DM, oder um mehr als 100.000 DM abweicht. Unter diesen Voraussetzungen findet eine Fortschreibung sowohl zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung (§ 22 Abs. 3 BewG) als auch dann statt, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten Feststellung geändert haben. Bei einer Fortschreibung zur Beseitigung eines Rechtsfehlers ist die Fortschreibung – wenn damit eine Erhöhung des Einheitswerts verbunden ist – frühestens auf den Beginn des Kalenderjahres zulässig, indem der Feststellungsbescheid erteilt wird (§ 22...