rechtskräftig
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Seit dem Veranlagungszeitraum 1975 wurden alle Einkommensteuererklärungen verspätet, teilweise erst nach dem Erlaß von Schätzungsbescheiden vorgelegt. Alle Steuerfestsetzungen für die Veranlagungszeiträume ab 1981 führten zu Steuererstattungen. Der Beklagte setzte mehrfach Verspätungszuschläge fest (1982, 1983, 1986–88), die nach Vorlage der Steuererklärungen auf Beträge zwischen 50,– DM und 160,– DM herabgesetzt wurden. Wegen der Nichtabgabe der Einkommensteuererklärungen für 1990 und 1991 wurden Zwangsgelder angedroht, aber nicht festgesetzt. Für das Streitjahr 1991 wurden die Besteuerungsgrundlagen im Einkommensteuerbescheid vom … geschätzt, da die Kläger keine Einkommensteuererklärungen abgegeben hatten. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Nach Klageerhebung Legten die Kläger ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr vor.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid vom … in Gestalt des hierzu ergangenen Einspruchsbescheids zu ändern und die Einkommensteuer 1991 auf …,– DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, die Klage sei wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Die Kläger seien ihren steuerlichen Erklärungspflichten wiederholt in zumindest grob fahrlässiger Weise nicht nachgekommen. Sie hätten das Klageverfahren mißbraucht, weil sie nicht Rechtsschutz sondern Lediglich eine Längere Frist zur Abgabe ihrer Steuererklärung erreichen wollten. Der Beklagte beruft sich ferner auf das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 21. Juni 1993 – 3 K 835/93, EFG 1994, 158, mit dem eine zum Zweck der Verzögerung der Abgabe von Steuererklärungen eingelegte Klage unter Berufung auf den Rechtsgedanken des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) als unzulässig abgewiesen wurde. Im Schriftsatz vom 07.07.1994 vertrat der Beklagte die Ansicht, er habe seine Möglichkeiten zur Beschleunigung der Abgabe der Steuererklärungen eingesetzt; sie seien jedoch wirkungslos und uneffizient geblieben, so daß er „die Kläger durch Schätzungsbescheide zur Handlung gemäß § 331 00” habe zwingen müssen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senats erklärt und auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Das Gericht hält es für angebracht, über die Frage der Zulässigkeit der Klage durch Zwischenurteil (§ 97 Finanzgerichtsordnung – FGO –) zu entscheiden, weil sich der Rechtsstreit nach der Entscheidung der Zulässigkeitsfrage voraussichtlich außergerichtlich erledigen wird.
Die Klage ist zulässig.
1. Nach Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) steht jedem der Rechtsweg offen, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird. Grundsätzlich kann kein Akt der Exekutive, der in Rechte des Bürgers eingreift, richterlicher Nachprüfung entzogen werden (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluß vom 12. Januar 1960 – 1 BvL 17/59 – BVerfGE 22, 264, 267). Dieses Grundrecht ist die verfassungsrechtliche Grundlage dafür, daß ein Bürger gegen einen Steuerbescheid, den er für rechtswidrig hält, vor dem Finanzgericht Klage erheben kann. Die Finanzgerichtsordnung enthält in den §§ 33 ff., insbesondere in § 40 Abs. 2 FGO die konkrete Ausgestaltung dieser Rechtsschutzgarantie für das finanzgerichtliche Verfahren. Die Rechtsschutzgarantie und damit auch das Klagerecht des Bürgers unterliegen jedoch einer allgemeinen Schranke, dem Verbot der unzulässigen, weil mißbräuchlichen Rechtsausübung (vgl. BVerfG, Beschluß vom 26. Januar 1972 – 2 BvR 255/67 – BVerfGE 19, 305, 308; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Januar 1974 – IV C 2.72 – BVerwGE 44, 294; Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 8. Juli 1994 – III R 78/92 – BStBl II 1994, 859). Mißbräuchlich handelt, wer ein Recht gebraucht, das zu schützen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt ist (Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Februar 1987 – VII ZR 58/82 – NJW 1987, 1947).
Ein Mißbrauch in diesem Sinne liegt im Streitfall nicht vor. Gewichtige Gesichtspunkte erfordern vorliegend den Schutz des Klagerechts.
Ein Einkommensteuerschätzungsbescheid kann unabhängig von einer etwa zwischenzeitlich vorgelegten Einkommensteuererklärung rechtswidrig sein. Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen unterliegt den in § 162 AO niedergelegten Regeln, deren Verletzung durch das Finanzamt zur Rechtswidrigkeit des Schätzungsbescheides führt. Ein Schätzungsbescheid kann sogar unter groben Schätzungsfehlern (vgl. dazu BFH, Urteil vom 1. Oktober 1992 – IV R 34/90 – BStBl II 1993, 259) leiden, oder gar eine (willkürliche) Strafschätzung (vgl. dazu ebenfalls BFH, Urteil von 1. Oktober 1992 a.a.O.) enthalten. Ein mit solchen Schätzungsfehlern behafteter Steuerbescheid darf nach materiellem Recht keinen Bestand haben. Diese möglichen Schätzungsfehler, die zur Rechtswidrigkeit des betroffenen Steuerbescheides führen und die von dem früheren Verhalten des Ste...