Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Kennzeichnend für den Zuwendungsnießbrauch ist, dass der Eigentümer des Grundstücks die Nutzungsbefugnis an dem Grundstück überträgt (zuwendet). Der Nießbraucher erzielt in Ausübung des Nießbrauchsrechts mit dem Nutzungsgegenstand Vermietungseinkünfte. Ob darüber hinaus auch im Verhältnis Nießbraucher – Grundstückseigentümer, d. h. mit der Übertragung des Nießbrauchsrechts, Einkünfte erzielt werden, hängt von der Entgeltlichkeit des Nießbrauchs ab.
3.1 Abgrenzung zwischen entgeltlicher, teilweise entgeltlicher oder unentgeltlicher Bestellung
Ob ein Zuwendungsnießbrauch (bzw. ein zugewendetes dingliches Wohnrecht oder ein zugewendetes obligatorisches Nutzungsrecht) entgeltlich, teilentgeltlich oder unentgeltlich bestellt worden ist, ist nach folgenden Kriterien zu beurteilen:
- Ein Zuwendungsnießbrauch ist als entgeltlich bestellt anzusehen, wenn der Wert des Nießbrauchs und der Wert der Gegenleistung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen sind. Beim Vergleich von Leistung und Gegenleistung sind die von den Vertragsparteien jeweils insgesamt zu erbringenden Leistungen gegenüberzustellen. Während bei fremden Dritten regelmäßig ohne nähere Prüfung davon auszugehen ist, dass der Wert des Nießbrauchs und der Wert der Gegenleistung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abgewogen sind, ist bei Personen, die durch verwandtschaftliche oder sonstige enge Beziehungen miteinander verbunden sind, ggf. eine nähere Prüfung anzustellen.
- Sind der Wert des Nießbrauchs und der Gegenleistung nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abgewogen, ist von einem teilweise entgeltlich bestellten Nießbrauch auszugehen. Der Vorgang ist daher in einen entgeltlichen und unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Für die Aufteilung ist das Verhältnis des Entgelts zu dem Kapitalwert des Nießbrauchs maßgebend.
- Ist der Wert der Gegenleistung im Verhältnis zum Wert des Nießbrauchs so bemessen, dass bei Zugrundelegung einer zwischen Fremden üblichen Gestaltung nicht mehr von einer Gegenleistung ausgegangen werden kann, liegt ein unentgeltlich bestellter Nießbrauch vor. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Wert der Gegenleistung weniger als 10 % des Werts des Nießbrauchs beträgt.
Beim zugewendeten dinglichen Wohnrecht und beim zugewendeten obligatorischen Nutzungsrecht sind diese Abgrenzungsmerkmale entsprechend anzuwenden.
3.2 Allgemeine Grundsätze
Ist das Grundstück bei der Nießbrauchsbestellung vermietet, tritt der Nießbraucher in die Rechtsstellung des Eigentümers als Vermieter ein. Die Mietzahlungen sind dann an den Nießbraucher zu leisten. Vertreten Eltern ihre minderjährigen Kinder, müssen die Willenserklärungen im Namen der Kinder abgegeben werden; die Beteiligung eines Ergänzungspflegers ist nur bei der Bestellung des Nießbrauchs erforderlich.
Die Ausgestaltung eines Nießbrauchs als Bruttonießbrauch, bei dem sich der Nießbrauchbesteller verpflichtet, die den Nießbraucher treffenden Kosten und Lasten zu tragen, so dass dem Nießbraucher die Bruttoerträge verbleiben, beeinträchtigt die Vermieterstellung des Nießbrauchers nicht.
Bei einem Quotennießbrauch, d. h. dem Nießbraucher steht ein bestimmter Anteil an den Einkünften des Grundstücks zu, und beim Bruchteilsnießbrauch, d. h. der Nießbrauch wird nur an einem Bruchteil des Grundstücks bestellt, gelten für die Gemeinschaft von Nießbraucher und Eigentümer diese allgemeinen Grundsätze entsprechend. Dabei wird die Vermieterstellung des Quoten- bzw. Bruchteilsnießbrauchers nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Mietzahlungen auf ein gemeinsames Konto erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass der anteilige Überschuss in die alleinige Verfügungsmacht des Nießbrauchers gelangt.
3.3 Gestaltungsmissbrauch kann steuerlicher Anerkennung entgegenstehen
Die Verwaltung nimmt – und zwar teilweise in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung – insbesondere in den folgenden Fällen einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO an:
- Hat der Nießbraucher das Gebäude oder eine Wohnung in Ausübung seines Nießbrauchsrechts an den Eigentümer vermietet, so kann darin die Rückgängigmachung des Nießbrauchs oder ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO liegen.
- Bestellen Eltern ihrem Kind unentgeltlich einen (zeitlich bis zum 27. Lebensjahr) befristeten Nießbrauch an einem Grundstück und vermietet das Kind den Grundbesitz anschließend an die Eltern zurück, steht dieser Gestaltung regelmäßig § 42 AO entgegen.
- Eine missbräuchliche Gestaltung kann auch in der Unkündbarkeit eines in zeitlichem Zusammenhang mit der Nießbrauchsbestellung mit dem Nießbrauchsbesteller vereinbarten Mietverhältnisses oder darin liegen, dass die Dauer eines befristeten Nießbrauchs auf die Unterhaltsbedürftigkeit des Nießbrauchers abgestimmt ist.
Ausnahmsweise kein Gestaltung...