Verlängerter Vorbehaltsnießbrauch: Zum Vorbehaltsnießbrauch hat der BFH nun aktuell mit Urteil v. 24.5.2022 entschieden, dass bei Austausch
- einer mit einem Vorbehaltsnießbrauch belasteten Immobilie
- mit Zustimmung des Nießbrauchers
- gegen eine andere Immobilie
- in der Weise, dass dem Nießbraucher an der neuen Immobilie auf der Grundlage eines zuvor vereinbarten, rahmenbildenden Vertrags wiederum ein Nießbrauch eingeräumt wird,
sich der Vorbehaltsnießbrauch an der erworbenen Immobilie als sog. verlängerter Vorbehaltsnießbrauch fortsetzt, sofern der Nießbraucher wirtschaftlich die Anschaffungs-/Herstellungskosten (AK/HK) der Ersatzimmobilie trägt.
a) Der Streitfall
Im Streitfall hatten die Steuerpflichtigen ein eigengenutztes Einfamilienhaus im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich unter Vorbehalt des Nießbrauchs bis zum Tod des Längstlebenden auf ihre drei volljährigen Kinder übertragen. Aufgrund eines geplanten Umzugs schlossen die Steuerpflichtigen mit ihren drei Kindern eine privatrechtliche Vereinbarung, wonach beim Verkauf der Immobilie
- die Nießbrauchsrechte zwar gelöscht werden,
- jedoch in der Weise fortbestehen sollten, dass aus dem Verkaufserlös eine oder mehrere andere Immobilien auf den Namen der Kinder erworben werden, an denen wiederum ein Nießbrauchsrecht zugunsten der Eltern bestellt wird.
Bis dahin steht den Eltern das Nießbrauchsrecht an dem Erlös aus dem Verkauf der Immobilie zu. Den Verkaufserlös stellten die Eltern ihren Kindern zum Erwerb einer oder mehrerer anderer Immobilien zur Verfügung, an denen den Eltern dann wiederum das Nießbrauchsrecht zu bestellen ist.
Der durch den Verkauf an fremde Dritte erzielte Verkaufserlös betrug 475.000 EUR. In 2013 erwarben die Steuerpflichtigen zum gemeinschaftlichen Miteigentum der Kinder
- eine Eigentumswohnung zum Kaufpreis von 280.000 EUR
- nebst Erwerbsnebenkosten von 27.805 EUR.
- Zusätzlich erwarben sie ein Appartement in einem noch im Bau befindlichen Pflegeheim für 110.905 EUR.
Fazit: Die Aufwendungen für die Ersatzimmobilien überstiegen somit nicht den durch Verkauf der ursprünglich nießbrauchsbelasteten Immobilie erzielten Veräußerungserlös.
Die Steuerpflichtigen machten geltend,
- die Nießbrauchsrechte entgeltlich erworben zu haben und
- wollten die ihnen insgesamt entstandenen AK/HK auf die Lebensdauer des Längstlebenden abschreiben.
b) BFH = Fortbestehen des Vorbehaltsnießbrauchs an Ersatzimmobilie
Der BFH entschied jedoch, dass der im Streitfall einschlägige Fall des "verlängerten Vorbehaltsnießbrauchs"
- dem Vorbehaltsnießbrauch und
- der mittelbaren Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt
gleichzustellen ist, denn bei wirtschaftlicher Betrachtung handelt es sich aufgrund des zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs steuerrechtlich um das Fortbestehen des Vorbehaltsnießbrauchs.
Voraussetzung ist, dass
- angesichts einer von vorneherein feststehenden Abrede,
- die in einem rahmenbildenden Vertrag zwischen den Nießbrauchern und den verpflichteten Eigentümern getroffen wurde,
- bereits während des Bestehens des ursprünglichen Vorbehaltsnießbrauchs an einer Immobilie
- die Fortsetzung des Nießbrauchsrechts an einer mit dem Erlös aus dem Verkauf der Erstimmobilie zukünftig zu erwerbenden Ersatzimmobilie vereinbart wird.
c) Exkurs: AK/HK der Ersatzimmobilie überschreiten den Veräußerungserlös
Sollten die AK/HK der Ersatzimmobilie den aus der Veräußerung der Alt-Immobilie erzielten Erlös in der Summe überschreiten,
- würde dies den Eigentümer insoweit mit eigenen Aufwendungen belasten und
- der Nießbraucher würde im Ergebnis nicht die gesamten AK/HK tragen.
"Partieller" Zuwendungsnießbrauch: Sofern der Nießbraucher aus der entgeltlichen Nutzungsüberlassung der Grundstücke Einkünfte erzielt, läge dann hinsichtlich der vom Eigentümer getragenen AK/HK ein Zuwendungsnießbrauch vor:
- Insoweit wären die Nießbraucher nicht AfA-berechtigt, da ihnen keine abschreibungsfähigen Aufwendungen entstanden wären.
- Der Eigentümer hätte zwar die grundsätzlich abschreibungsfähigen AK/HK getragen, könnte eine AfA aber mangels Einkünfteerzielung ebenfalls nicht steuerlich geltend machen.