Aktuelle Rechtsprechung zu deren steuerlicher Anerkennung
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. Karl-Heinz Günther, StB
Die einkommensteuerrechtliche Anerkennung und Behandlung von Nießbrauchsgestaltungen – insbesondere im Bereich der Vermietungseinkünfte – hat die Rechtsprechung in den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts häufig beschäftigt und viele Streitpunkte geklärt. Die von der Finanzverwaltung hierzu vertretene Rechtsauffassung wurde zuletzt im BMF-Schreiben v. 30.9.2013 dargelegt (BMF v. 30.9.2013 – IV C 1 - S 2253/07/10004 – DOK 2013/0822518, BStBl. I 2013, 1184 = EStB 2013, 417 [Günther]). Ein Blick in die aktuelle Rechtsprechung der letzten Jahre zeigt jedoch, dass die steuerrechtliche Anerkennung von Nießbrauchsgestaltungen – nach wie vor – streitanfällig ist und zu einer Reihe von Gerichtsentscheidungen sowohl auf der Ebene der Finanzgerichte als auch durch den BFH geführt hat, die in der Besteuerungspraxis Beachtung finden sollten. Nachfolgend geben wir hierzu einen Überblick.
I. Vorbehaltsnießbrauch
Die unentgeltliche Übertragung eines Grundstücks gegen Nießbrauchsvorbehalt führt hinsichtlich des vorbehaltenen Nutzungsrechts auch dann nicht zu einer Gegenleistung, wenn der Übernehmer dem Übergeber das Nutzungsrecht einräumt. Vielmehr ist von der Übertragung von bereits mit dem Nutzungsrecht belastetem Vermögen auszugehen.
Konsequenzen beim Vorbehaltsnießbraucher: Da
- die Nutzungsbefugnis weiterhin beim Vorbehaltsnießbraucher verbleibt,
- erzielt er auch weiterhin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (VuV) und
- ist zur weiteren Vornahme der Gebäude-AfA berechtigt, ohne dass er hierzu wirtschaftliches Eigentum erlangen müsste.
Die Übertragung eines vermieteten Grundstücks gegen Nießbrauchsvorbehalt führt ertragsteuerlich dazu, dass sich hinsichtlich der steuerlichen Einkunftserzielung nichts ändert, d.h. diese verbleibt beim bisherigen Eigentümer und jetzigem Vorbehaltsnießbraucher.
Konkret bedeutet dies, dass nur der Vorbehaltsnießbraucher als derjenige, der (weiterhin) mit Einkünfteerzielungsabsicht tätig wird, auch zum Werbungskostenabzug (WK-Abzug) berechtigt ist.
Außergewöhnliche Unterhaltungsmaßnahmen: Da der Nießbraucher nach § 1041 BGB nur verpflichtet ist, für die Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen und ihm Ausbesserungen und Erneuerungen nur insoweit obliegen, als sie zur gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehören, der Eigentümer als insoweit Verpflichteter jedoch mangels Einkünfteerzielung nicht zum WK-Abzug berechtigt ist, steht bei Übernahme derartiger Kosten durch den Nießbraucher der WK-Abzug in Frage.
Kostenerstattungsanspruch: Zwar ist der Nießbraucher auch zu außergewöhnlichen Unterhaltungsmaßnahmen berechtigt (§ 1043 BGB), erlangt dadurch jedoch in der Regel einen Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber dem Eigentümer (§ 1049 BGB i.V.m. §§ 677 ff. BGB). Beachten Sie: Treffen die Vertragsparteien keine von der gesetzlichen Kostentragung (§ 1041 BGB) abweichende Regelung, führt der Vorbehaltsnießbraucher eine außergewöhnliche Instandsetzungsmaßnahme (z.B. den Einbau neuer Fenster) durch und macht er diesen Aufwand gegenüber dem neuen Eigentümer nicht geltend, kann er seine Aufwendungen daher nicht als WK abziehen, da hierin eine nach § 12 Nr. 2 EStG nicht abziehbare Zuwendung an den Eigentümer liegt. Der getätigte Aufwand wäre damit steuerlich in vollem Umfang verloren. Beachten Sie: Ein WK-Abzug wäre allenfalls dann möglich, wenn der gesetzlich bestehende Ersatzanspruch zwar geltend gemacht, aber nicht realisiert wird.
Beraterhinweis Die Vertragsparteien sollten daher – abweichend von den bürgerlich-rechtlichen Regelungen – den Nießbraucher zur Übernahme größerer Instandsetzungsaufwendungen verpflichten. Diese Nebenabrede muss, wenn sie zwischen nahen Angehörigen erfolgt, klar und eindeutig getroffen und tatsächlich durchgeführt werden. Ist dies der Fall, sind die größeren Instandsetzungsaufwendungen beim Nießbraucher auch steuerlich berücksichtigungsfähig.
1. Austausch einer Immobilie (Surrogationsobjekt; BFH v. 24.5.2022)
Verlängerter Vorbehaltsnießbrauch: Zum Vorbehaltsnießbrauch hat der BFH nun aktuell mit Urteil v. 24.5.2022 entschieden, dass bei Austausch
- einer mit einem Vorbehaltsnießbrauch belasteten Immobilie
- mit Zustimmung des Nießbrauchers
- gegen eine andere Immobilie
- in der Weise, dass dem Nießbraucher an der neuen Immobilie auf der Grundlage eines zuvor vereinbarten, rahmenbildenden Vertrags wiederum ein Nießbrauch eingeräumt wird,
sich der Vorbehaltsnießbrauch an der erworbenen Immobilie als sog. verlängerter Vorbehaltsnießbrauch f...