Leitsatz
Im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ist die Einkünfteerzielungsabsicht bei einer langfristigen Vermietung ausnahmsweise zu prüfen, wenn der Steuerpflichtige die Anschaffungskosten oder Herstellungskosten des Vermietungsobjekts sowie anfallende Schuldzinsen fremdfinanziert und somit Zinsen auflaufen lässt, ohne dass durch ein Finanzierungskonzept von vornherein deren Kompensation durch spätere positive Ergebnisse vorgesehen ist (Abgrenzung zu BFH-Urteil vom 19.4.2005, IX R 15/04, BStBl II 2005, 754).
Normenkette
§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Die Kläger errichteten im Jahr 1981 auf eigenem Grundstück ein Gebäude mit – vollständig fremdfinanzierten – Herstellungskosten i.H.v. 105.308 DM. Über die zur Finanzierung verwandten Mittel war keine schriftliche Darlehensvereinbarung getroffen worden. Das Konto bei dem Kreditinstitut wurde wie ein Darlehenskonto mit variablen Zins- und Sondertilgungsmöglichkeiten geführt. Seit dem Jahr 1981 wurden Zinsen und Tilgung jeweils jährlich faktisch in ein neues Darlehen umgewandelt und dem jeweiligen Valutastand des Vorjahrs zugerechnet. Den Mieteinnahmen aus dem Grundstück in den Jahren 1985 bis 2002 von insgesamt 70.676 € standen als Werbungskosten Zinsen von 332.309,33 € aus der ursprünglichen Fremdfinanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten (Schuldenstand Ende 2002: 336.190,63 €) gegenüber.
Das FA berücksichtigte die Schuldzinsen nicht und setzte auf den Einspruch der Kläger deren Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht mit 0 € an; den weitergehenden Einspruch wies es zurück. Gegen Abweisung ihrer daraufhin erhobenen Klage wenden sich die Kläger mit ihrer Revision.
Entscheidung
Auch der BFH hat im Streitfall die ausnahmsweise Notwendigkeit zur Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht durch eine Prognose bejaht, weil die Kläger nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) kein Konzept für eine zeitlich absehbare Kompensation der aufgelaufenen Werbungskostenüberschüsse gehabt hätten. Der Hinweis der Kläger auf die behaupteten Vermögenswerte und insbesondere die vorhandenen Lebensversicherungen sei unschlüssig, weil zwischen diesen und den streitbefangenen Darlehen kein konzeptioneller Zusammenhang bestehe und es in ihrem Belieben gestanden habe, ob und gegebenenfalls wann sie Tilgungen vornehmen und hierzu die Lebensversicherungen einsetzen würden. Da das FG bindend festgestellt habe, dass die danach vorzunehmende Prognose in einem Zeitraum von 30 Jahren (BFH, Urteil vom 17.9.2002, IX R 16/02, BFH/NV 2003, 156) selbst unter Berücksichtigung einer etwaigen unentgeltlichen Rechtsnachfolge hinsichtlich des streitbefangenen Objekts (vgl. BFH, Urteil vom 6.11.2001, IX R 97/00, BStBl II 2002, 726, m.w.N.) nicht zu einem Einnahmen-Überschuss führe, sei die Revision unbegründet.
Hinweis
1. Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, letztlich einen Einnahmen-Überschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben. Besondere Umstände, die im Einzelfall gegen das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht sprechen können, sind nicht schon wegen krassen Missverhältnisses zwischen Mieteinnahmen und Schuldzinsen anzunehmen, wenn die wegen der Refinanzierung von Zinsen zunächst hohen Schuldzinsen nach dem gewählten Finanzierungskonzept zum Ende der Laufzeit der Darlehen – konzepttypisch – durch positive Ergebnisse kompensiert werden (vgl. BFH, Urteil vom 19.4.2005, IX R 15/04, BFH-PR 2005, 397).
2. Zu einem besonderen Umstand wird ein solches krasses Missverhältnis bei der Finanzierung eines Vermietungsobjekts – so jetzt der BFH – aber dann, wenn von vornherein eine solche Kompensation ersichtlich nicht eingeplant ist, mit der Folge, dass die Einkünfteerzielungsabsicht anhand einer Einnahmen-Überschuss-Prognose zu prüfen ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.5.2007, IX R 7/07