Leitsatz
1. Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der mehreren Erwerbstätigkeiten nachgeht, kann auch dann den Betätigungsmittelpunkt i.S.d. ? 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 2. Halbsatz EStG bilden, wenn der qualitative Schwerpunkt einzelner Tätigkeiten nicht im häuslichen Arbeitszimmer liegt (Anschluss an BFH, Urteil vom 13.10.2003, VI R 27/02, BStBl II 2004, 771).
2. Im Rahmen der dem FG obliegenden Beurteilung des qualitativen Schwerpunkts der Gesamttätigkeit kommt der Bestimmung des Mittelpunkts der Haupttätigkeit des Steuerpflichtigen regelmäßig indizielle Bedeutung zu.
3. Als Haupttätigkeit ist jede Vollzeitbeschäftigung eines Steuerpflichtigen aufgrund eines privatrechtlichen Arbeits-/Angestellten- oder öffentlich-rechtlichen Dienst-Verhältnisses anzusehen. Liegt eine solche Vollzeitbeschäftigung nicht vor, kommt der Wertigkeit der einzelnen Tätigkeiten, der Höhe der jeweils erzielten Einnahmen sowie dem auf die jeweilige Tätigkeit entfallenden Zeitaufwand indizielle Bedeutung für die Bestimmung der Haupttätigkeit zu.
Normenkette
? 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG
Sachverhalt
Ein Berufsschullehrer war zugleich als Autor von Lehrbüchern schriftstellerisch tätig. Im Einfamilienhaus seiner Ehefrau, das er zu 75 % finanziert hatte, nutzte er zwei Räume von ca. 12 und 18 m² als Arbeitszimmer. Nach seinen Angaben nutzte er das eine Zimmer zur Unterrichtsvorbereitung, das andere Zimmer für seine schriftstellerische Tätigkeit.
Das FA erkannte für die Arbeitszimmer insgesamt nur einen Betrag von 2.400 DM an, den es teils bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit und teils bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigte. Die dagegen erhobene Klage hatte zunächst keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH gab der Revision des Klägers statt und verwies das Verfahren an das FG zurück. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH komme ein unbegrenzter Abzug als Betriebsausgabe nur in Betracht, wenn bei wertender Betrachtung der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit im Arbeitszimmer liege. Das FG sei demgegenüber noch von der früheren Vorstellung ausgegangen, dass der Mittelpunkt jeder Teiltätigkeit im Arbeitszimmer liegen müsse.
Hinweis
1. Die Rechtsprechung des BFH zur beschränkten Abziehbarkeit der Kosten für Arbeitszimmer bei mehreren Berufstätigkeiten ist in den vergangenen zwei Jahren immer weiter verfeinert und präzisiert worden. Da das Gesetz den unbeschränkten Abzug an die Voraussetzung knüpft, dass der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit in dem Arbeitszimmer liegt, muss dieser Mittelpunkt in jedem Einzelfall bestimmt werden.
Einer anfänglichen Tendenz, den Mittelpunkt jeder Tätigkeit im Arbeitszimmer zu verlangen, ist der BFH dabei nicht weiter gefolgt. Vielmehr stellt er jetzt eine wertende Betrachtung der Gesamttätigkeit an, wenn nicht alle ausgeübten Tätigkeiten ihren Mittelpunkt entweder im Arbeitszimmer oder außerhalb des Arbeitszimmers haben. Bei der Gesamtbetrachtung spielt die im Arbeitszimmer verbrachte Arbeitszeit keine ausschlaggebende Rolle; sie ist nur eines von mehreren Indizien.
2. Erstmals wird mit dem Besprechungsurteil herausgearbeitet, dass ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Bewertung der Gesamttätigkeit die Unterscheidung der ausgeübten Tätigkeiten in Haupt- und Nebentätigkeiten ist. Liegt der Schwerpunkt des Hauptberufs im Arbeitszimmer, indiziert dies auch, dass der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit im Arbeitszimmer liegt; entsprechend fällt die Wertung im umgekehrten Fall aus. Als Haupttätigkeit bezeichnet der BFH dabei typisierend jede nichtselbstständige Vollzeitbeschäftigung.
Werden mehrere selbstständige Tätigkeiten oder mehrere nichtselbstständige Teilzeittätigkeiten ausgeübt, hilft die Typisierung nicht weiter. Dann sind als Indizien nach Meinung des BFH "alternativ oder kumulativ die Höhe der jeweils erzielten Einnahmen, das den einzelnen Tätigkeiten nach der Verkehrsauffassung zukommende Gewicht und der auf die jeweilige Tätigkeit insgesamt entfallende Zeitaufwand" zu berücksichtigen und nach den Umständen des Einzelfalls zu gewichten.
3. Bereits im Urteil vom 20.11.2003, IV R 30/03 (BStBl II 2004, 775, BFH-PR 2004, 177) hatte der BFH entschieden, dass sich die Beschränkung für Kosten eines Arbeitszimmers auf das jeweilige Objekt bezieht. Benutzen zwei Personen ein Arbeitszimmer, wird der Höchstbetrag also nur einmal gewährt. Dieser Auffassung hat sich mittlerweile auch die Finanzverwaltung angeschlossen (BMF vom 14.9.2004, BStBl I 2004, 861).
Im Besprechungsfall nutzte nun aber eine Person zwei Arbeitszimmer. Trotzdem kam nach Meinung des BFH keine Verdoppelung des Höchstbetrags in Frage, weil beide Zimmer eine funktionale Einheit seien. Voraussetzung dafür ist, dass beide Zimmer in identischer Weise genutzt werden. Mit dieser Handhabung wird sichergestellt, dass der Nutzer von zwei kleinen Zimmern genauso behandelt wird wie derjenige, der seine Tätigkeiten in einem großen Arbeitszimmer ausübt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.12.2004, IV R 19/03