Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich bei Tod eines Ehegatten nach Rechtskraft der Scheidung, aber vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Stirbt ein Ehegatte nach Rechtskraft der Scheidung, aber vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung, hat eine Gesamtsaldierung der beiderseitigen Ausgleichswerte zu erfolgen.
2. Ergibt diese Bilanz, dass die an sich auszugleichenden Anrechte des überlebenden Ehegatten geringer sind als die des verstorbenen Ehegatten, so besteht ein Anspruch auf Wertausgleich in Höhe der Differenz zwischen den Summen der Ausgleichswerte beider Ehegatten.
3. Im Rahmen der Ermessensausübung gem. § 31 Abs. 2 S. 2 VersAusglG ist bei jedem zum Ausgleich herangezogenen Anrecht der Halbteilungsgrundsatz (§ 1 Abs. 1 VersAusglG) zu berücksichtigen.
Normenkette
VersAusglG § 31 Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG Bremen (Beschluss vom 10.10.2014; Aktenzeichen 70 F 1455/14 VA) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 3. wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 10.10.2014 in Ziff. I. der Beschlussformel abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der verstorbenen vormaligen Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers.-Nr. [...]) zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht i.H.v. 9,1289 Entgeltpunkten auf das vorhandene Kto. [...] bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31.10.2008, übertragen.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.382,20 EUR festgesetzt.
4. Der Gegenstandswert für die erste Instanz wird in Abänderung von Ziff. III des Beschlusses des AG - Familiengericht - Bremen vom 10.10.2014 ebenfalls auf 3.382,20 EUR festgesetzt.
5. Dem minderjährigen [...] wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin [...] bewilligt.
Gründe
I. Die am [...] 1995 zwischen den beteiligten Ehegatten geschlossene Ehe ist durch Urteil des AG Bremen vom 18.3.2009 geschieden worden. Die Zustellung des Scheidungsantrages war am 28.11.2008 erfolgt. Das Verfahren zum Versorgungsausgleich ist vom Familiengericht in der Sitzung vom 18.3.2009 durch Beschluss abgetrennt und ausgesetzt worden.
Die Antragstellerin ist am [...]. 2009 verstorben. Sie ist von dem minderjährigen Sohn der beteiligten ehemaligen Ehegatten, [...], beerbt worden.
Mit Verfügung vom 11.4.2014 hat das Familiengericht das Verfahren über den Versorgungsausgleich wieder aufgenommen und neue Auskünfte von den beteiligten Versorgungsträgern eingeholt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das AG den Versorgungsausgleich durchgeführt. Es hat die von den Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte sowie ein von der Ehefrau bei der VBL erworbenes Anrecht jeweils im Wege der internen Teilung ausgeglichen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschlusstenor und die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Hiergegen wendet sich die weitere Beteiligte zu 3., der der Beschluss am 27.10.2014 zugestellt worden ist, mit ihrer am 10.11.2014 beim Familiengericht eingegangenen Beschwerde, mit welcher sie geltend macht, der vom Familiengericht vorgenommene Ausgleich widerspreche angesichts des Umstandes, dass die Antragstellerin zwischenzeitlich verstorben sei, der Vorschrift des § 31 VersAusglG.
II. Die gem. § 58 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
In dem vorliegenden Verfahren ist gem. § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG das ab 1.9.2009 geltende materielle Recht und Verfahrensrecht anzuwenden.
Da die Antragstellerin am [...] 2009, also nach Rechtskraft der Scheidung aber vor Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich verstorben ist, ist das Verfahren gem. §§ 31 Abs. 1 S. 1 VersAusglG, 219 Nr. 4 FamFG gegen die Erben der Verstorbenen fortzuführen, hier also gegen den gemeinsamen Sohn der ehemaligen Ehegatten, [...]. Da der Antragsgegner gesetzlicher Vertreter seines Sohnes ist, ist für [...] mit Beschluss des AG Bremen vom 26.2.2015 (70 F 1455/14) eine Ergänzungspflegerin bestellt worden.
Die weitere Beteiligte zu 3. hat mit ihrer Beschwerde zutreffend darauf hingewiesen, dass der vom Familiengericht mit der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Hin- und Her-Ausgleich nicht der Regelung in § 31 VersAusglG entspricht. Gemäß § 31 Abs. 1 S. 2 VersAusglG haben die Erben kein Recht auf Wertausgleich. Gemäß § 31 Abs. 2 VersAusglG darf der überlebende Ehegatte durch den Wertausgleich nicht besser gestellt werden, als wenn der Versorgungsausgleich durchgeführt worden wäre. Das bedeutet, dass eine Gesamtsaldierung der beiderseitigen Ausgleichswerte zu erfolgen hat. Ergibt diese Bilanz, dass die an sich auszugleichenden Anrechte des überlebenden Ehegatten geringer sind als die des verstorbenen Ehegatten, ...