Leitsatz (amtlich)
1. Akteneinsichtsgesuche von Gläubigern, die ihre Forderung im eröffneten Insolvenzverfahren nicht angemeldet haben, sind nach § 4 InsO i.V.m. § 299 Abs. 2 ZPO zu bescheiden, § 299 Abs. 1 InsO ist nicht anwendbar.
2. Steht die Forderung eines Akteneinsicht beantragenden Gläubigers nicht in Frage, muss zur Begründung des Einsichtsgesuchs kein besonderes rechtlich geschütztes Interesse an der Einsicht dargetan werden; der Gläubiger muss die Möglichkeit haben, sich auch mittels Akteneinsicht Klarheit darüber zu verschaffen, ob eine Teilnahme am Insolvenzverfahren überhaupt sinnvoll ist.
3. Das Gericht hat auch im Rahmen eines Einsichtsgesuchs, das unter § 299 Abs. 2 InsO fällt, die Übersendung von Ablichtungen in Erwägung zu ziehen und bei Ablehnung eines entspr. Antrags die versagende Entscheidung konkret zu begründen; pauschale Hinweise auf die Belastung des Gerichts durch Einsichtsersuchen reichen zur Ablehnung nicht aus.
Verfahrensgang
AG Tostedt (Beschluss vom 02.08.2003; Aktenzeichen 20 IN 133/02) |
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Beschluss des AG Tostedt vom 2.8.2003 ist zulässig; der Beschluss des AG Tostedt vom 12.8.2003 wird aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Gründe
Die Antragstellerin ist Gläubigerin der …, über deren Vermögen am 1.10.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, in dem der Insolvenzverwalter nach einer ursprünglich angezeigten Masselosigkeit i.S. der §§ 208 ff. InsO am 6.6.2003 angezeigt hat, dass die Masse wieder zulänglich sei. Soweit dies den Akten zu entnehmen ist, hat die Antragstellerin ihre Forderung i.H.v. 428,62 Euro aus einer Rechnung vom 15.5.2002, die aus einer Anzeige der Schuldnerin im Branchentelefonbuch resultiert, im Insolvenzverfahren bisher nicht zur Insolvenztabelle angemeldet. Ein Ende des Insolvenzverfahrens ist im Hinblick auf die Führung von mehreren Prozessen durch den Insolvenzverwalter nach einem Vermerk der Rechtspflegerin vom 1.7.2003 nicht absehbar.
I. Mit Schriftsatz vom 23.6.2003 hat die Antragstellerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigten beantragt, ihr eine Kopie des Insolvenzantrages und des Gutachtens des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Verfügung zu stellen. Diesen Antrag hat die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 12.8.2003 zurückgewiesen, weil Gläubiger im Insolvenzverfahren die Möglichkeiten hätten, sich jederzeit durch Akteneinsicht über den Stand des Verfahrens zu unterrichten, ein Anspruch auf Erteilung von Abschriften bestehe nicht, da es nicht Aufgabe des Gerichts sei, einen Verzicht des Gläubigers auf die Wahrnehmung der ihm zustehenden Teilnahme – und Einsichtsrechte dadurch auszugleichen, dass Kopien gefertigt und dem Gläubiger übersandt werden würden. Die Rechte des Gläubigers seien durch die Möglichkeit der Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts hinreichend gesichert. Gegen diesen ihr am 19.8.2003 zugestellten Beschluss hat die Gläubigerin mit einem am 29.8.2003 beim Insolvenzgericht eingegangenen Schriftsatz „Erinnerung” eingelegt, mit der geltend gemacht wird, dass das Insolvenzgericht zu Unrecht einen Anspruch der Gläubigerin auf die Übersendung von Kopien des Insolvenzantrags und des Gutachtens des vorläufigen Insolvenzverwalters verneint habe. Die ausschließliche Wahrnehmung der Akteneinsicht durch persönliches Erscheinen auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts und Einsichtnahme in die Insolvenzakten sei dem Gläubiger nicht zumutbar und würde bei jährlich etwa 150.000 Kunden, von denen etwa 1.000 insolvent werden würden, unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen. Die Weigerung, Kopien zu übersenden, komme i.E. einer Rechtsverweigerung gleich.
Mit Beschluss vom 18.11.2003 hat die Insolvenzrichterin die „als Beschwerde zu wertende Erinnerung des Gläubigervertreters” zurückgewiesen und dazu ausgeführt, dass der Gläubigerin ein Recht auf Erteilung von Abschriften aus der Insolvenzakte nicht zustehe, weil grundsätzlich nur Einsicht in die Akten auf der Geschäftsstelle beansprucht werden könne. Eine Fertigung und Übersendung von Kopien durch die Geschäftsstelle sei nur ausnahmsweise unter Berücksichtigung des Geschäftsanfalls zumutbar. Hierfür bestehe auch kein rechtlich geschütztes Interesse des Gläubigers, weil kein konkretes Rechtsverhältnis dargetan sei, aufgrund dessen Abschriften aus den Insolvenzakten gefordert werden könnten. Für einen Ausnahmefall, in dem nicht die Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle ausreiche, sondern ausnahmsweise die Übersendung von Abschriften in Betracht komme, seien keine ausreichenden Gründe vorgetragen.
Mit Verfügung vom 18.11.2003 hat das Insolvenzgericht die Akten dem Senat „im Hinblick auf § 23 EGGVG” zur Entscheidung vorgelegt.
Die Antrag stellende Gläubigerin macht in diesem Verfahren weiterhin geltend, dass die Entscheidung des Insolvenzgerichts, ihr die gewünschten Abschriften nicht zu erteilen, ermessensfehlerhaft sei.
II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Die Entscheidung...