Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Hauptschuldner im Prozess gegen den Gläubiger erfolglos die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung erhoben, verliert der Bürge das Recht, sich gegenüber dem Bürgschaftsgläubiger gem. § 768 BGB auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede zu berufen (Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung).
2. Der Bürge ist nicht mit dem Angriffsmittel der erstmals im Berufungsverfahren erhobenen Einrede der Verjährung gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, wenn der Sachverhalt, auf den der Bürge den Verjährungseinwand stützt, unstreitig ist.
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 09.03.2020; Aktenzeichen 12 O 187/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. März 2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz einschließlich der Kosten der Streithelfer hat die Klägerin zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Beklagten zur Last. Die Streithelfer tragen ihre Kosten des Berufungsverfahrens jeweils selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 68.202,05 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte als Bürgin aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft in Anspruch. In erster Instanz haben die Parteien um die Wirksamkeit der der Bürgschaft zugrundeliegenden Sicherungsabrede gestritten.
Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin beauftragte die Streithelferin zu 1 mit Zuschlagsschreiben vom 30. September 2013 mit der Ausführung des Gewerkes "Ladenbau-Wände" beim Projekt B in Düsseldorf. Ausweislich des Auftragsleistungsverzeichnisses vom 29. August 2013 sollte die Streithelferin zu 1 ausgeschriebene Möbelwände und Wandaufbauten im Rahmen des Ladenausbaus errichten. Die Streithelferin zu 1 und die Klägerin bezogen in den Vertrag das Auftragsleistungsverzeichnis vom 29. August 2013, das Protokoll der Vergabeverhandlung vom 31, Juli 2013 sowie die VOB/B und VOB/C ein.
Gemäß Ziffer 7 des Protokolls der Vergabeverhandlung vom 31. Juli 2013 sowie Ziffer 3 des Zuschlagsschreibens vom 30. September 2013 sollten die Vertragsbedingungen der Klägerin für Werk- und Bauleistungen (Version 4.0) einschließlich deren Sicherungsbestimmungen in den Vertrag einbezogen werden. § 14 Abs. 3 der Vertragsbedingungen der Klägerin für Werk- und Bauleistungen lautet:
Auftraggeber und Auftragnehmer vereinbaren eine Vertragserfüllungssicherheit in Höhe von 10 % der sich aus dem Zuschlagsschreiben (Auftragsschreiben) des Auftraggebers ergebenden Brutto-Gesamtvergütung (aus dem Zuschlagsschreiben ersichtliche vertragliche Gesamtvergütung nach Nachlass ohne Berücksichtigung des Abzugs der Umlagen für Strom/Wasser nach § 6 Ziffer 4 für die Bauwesenversicherung nach § 8 Ziffer 3 und für die Baureinigung nach § 6 Ziffer 5, sofern Letztere durch den Auftraggeber durchgeführt werden soll, zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer).
Der Auftraggeber ist berechtigt, jede geprüfte Abschlagsrechnung um 10 % zu kürzen (Vertragserfüllungseinbehalt), bis dieser Sicherungsbetrag erreicht ist. Die Sicherheit wird nach der Abnahme zurückgegeben.
Gemäß § 16 der Vertragsbedingungen der Klägerin für Werk- und Bauleistungen hat der Auftragnehmer [...] das Recht, den in § 14 Ziffer 3 vereinbarten Vertragserfüllungseinbehalt durch Übergabe einer unbedingten, unbefristeten und unwiderruflichen selbstschuldnerischen Bürgschaft (Vertragserfüllungsbürgschaft) eines nach Maßgabe des § 17 Abs. 2 VOB/B tauglichen Bürgen abzulösen. Die Vertragserfüllungsbürgschaft muss den Verzicht auf die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB), den Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit (§ 770 Abs. 1 BGB) und den Verzicht auf die Einrede der Aufrechnung (§ 770 Abs. 2 BGB) enthalten. Der Verzicht auf die Einrede der Aufrechnung (§ 770 Abs. 2 BGB) gilt nicht für unbestrittene, vom Auftraggeber anerkannte oder rechtskräftig festgestellte Forderungen des Auftragnehmers.
§ 17 der vorgenannten Vertragsbedingungen lautet:
1. die Aufrechnung der von dem Auftragnehmer aus dem Werk-/Bauvertrag gegen den Auftraggeber zustehenden Forderung ist unwirksam, es sei denn, es handelt sich um unbestrittene vom Auftraggeber anerkannte rechtskräftig festgestellte Forderungen.
2. Die Abtretung von Forderungen und sonstigen Ansprüchen des Auftragnehmers aus dem Vertrag ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Auftraggebers unwirksam.
Die Streithelferin zu 1 machte von der Ablösemöglichkeit Gebrauch und übermittelte der Klägerin die Vertragserfüllungsbürgschaft Nr. ... der Beklagten vom 30. August 2013 über eine Summe von 68.20...