Leitsatz (amtlich)
1. Der Vertrag über die Erstellung der Einkommenssteuererklärung unter Zusammenveranlagung der Ehegatten gehört zu den Geschäften, die der Deckung des Lebensbedarfs der Familie dient. Gemäß § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB werden hierdurch im Zweifel beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet. Gemäß § 432 BGB kann bei einem solchen Vertrag jeder Ehegatte den Steuerberater auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, allerdings nur Leistung an beide Ehegatten verlangen.
2. Wird dem Steuerberater vorgeworfen, gegen einen belastenden Steuerbescheid keinen Einspruch eingelegt zu haben, beginnt die Verjährung eines darauf beruhenden Schadensersatzanspruchs nach § 68 StBerG mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bescheides.
3. Keinen Einfluss auf den Ablauf der Verjährungsfrist hat eine 2. Pflichtverletzung des Steuerberaters durch Unterlassen der Stellung eines Antrags nach § 174 AO auf Änderung der fehlerhaften aber bestandkräftigen Einkommenssteuerbescheide wegen widerstreitender Steuerfestsetzung, wenn die Pflicht zur Stellung des Antrags nach § 174 AO in Zusammenhang stand mit der allgemeinen Vertragspflicht des Steuerberaters, von ihm verusachte Nachteile seines Mandanten abzuwenden.
4. Ein vom Arbeitgeber gezahlter Zuschuss zur Krankenversicherung rechtfertigt nicht die Kürzung des Vorwegabzugs gem. § 10 Abs. 3 Nr. 2 S. 2 Buchst. a EStG i.d.F. vom 21.12.1993.
5. Die sekundäre Hinweispflicht des Steuerberaters auf seine Haftung und die Verjährung entfällt, wenn der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung der Primäransprüche wegen der Haftungsfrage einen Rechtsanwalt eingeschaltet hatte. Die Einschaltung eines anderen Steuerberaters reicht dann nicht aus, wenn der Mandant von dem neuen Steuerberater vor Ablauf der Verjährung der Primäransprüche nicht auf die Möglichkeit der Haftung des alten Steuerberaters und die hierfür geltende Verjährungsfrist hingewiesen wurde. Diese die Sekundärhaftung ausschließenden Umstände muss der in Anspruch genommene Berater darlegen und beweisen.
6. Anlass des Steuerberaters, die Pflichtwidrigkeit des eigenen Verhaltens im Zusammenhang mit der Erstellung einer Einkommenssteuererklärung zu erkennen und den Mandanten auf den drohenden Ablauf der Verjährungsfrist hinzuweisen besteht bei forbestehendem Auftrag jedes Jahr im Zusammenhang mit der Fertigung der Einkommenssteuererklärung für das Folgejahr.
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 15.04.2004; Aktenzeichen 10 O 452/03) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Mönchengladbach vom 15.4.2004 unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neugefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger und seine Ehefrau R.H. als Mitgläubiger 2.121,54 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 5.3.2003 zu zahlen. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des 1. Rechtszuges fallen dem Kläger zu 85 %, der Beklagten zu 15 % zur Last. Die Kosten des 2. Rechtszuges fallen dem Kläger zu 83 %, der Beklagten zu 17 % zur Last.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg.
I. Die Beklagte ist ggü. dem Kläger und seiner Ehefrau aus dem Gesichtspunkt der Sekundärhaftung nach Verjährung der Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung des mit ihnen geschlossenen Steuerberatervertrages verpflichtet, einen Teilbetrag von 2.121,54 Euro der von den Ehegatten für 1997 im Rahmen ihrer Zusammenveranlagung als Gesamtschuldner (§ 44 AO) entrichteten Einkommenssteuern zu erstatten. Die insoweit gegenteilige Entscheidung des LG beruht auf einer Rechtsverletzung.
Der Kläger ist befugt, diesen Ersatzanspruch allein geltend zu machen, allerdings nur mit der Maßgabe, dass die geforderte Leistung an beide Ehegatten erbracht wird. Dies ergibt sich aus § 432 BGB. Der Ersatzanspruch aus dem Steuerberatervertrag steht den Ehegatten als Mitgläubigern zu, da der Vertrag über die Erstellung der Einkommensteuererklärung unter Zusammenveranlagung der Ehegatten zu den Geschäften gehört, die der Deckung des Lebensbedarfs der Familie dient und hierdurch gem. § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB im Zweifel beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet werden. Gemäß § 432 BGB kann bei einem solchen Vertrag jeder Ehegatte, also auch der Kläger, Leistung an alle fordern (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 1357 Rz. 5). Diese Forderung ist in dem Klagebegehren des Klägers, das auf Leistung allein an sich selbst gerichtet ist, bei richtiger Auslegung mitenthalten.
So weit der Kläger die Erstattung weiterer für die Jahre 1994, 1995, 1996, 1998 und 1999 gezahlter Einkommenssteuern verlangt, hat das LG die Klage zu Recht abgewiesen; die gem. § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen insoweit keine andere Entscheidung.
1. Insgesamt rechtsfehlerfrei sind die Ausführungen des LG zur Verjährung primärer Schadensersatzansprüche.
a) Wird dem Steuerberater, wie es h...